• 7. April 2013

    Weiterbildung in der Werkstoffprüfung und Werkstofftechnik mit berufsanschlussfähigen Teilqualifikationen

    Werkstoff Service ist spezialisiert auf die Qualifizierung technischer Fachkräfte und hat erfolgreich Teilqualifikationen aus dem Berufsbild des Werkstoffprüfers AZAV-zertifiziert.

    Unsere Teilqualifikationen sind mehrmonatige Qualifizierungseinheiten aus dem Berufsausbildung des Facharbeiters Werkstoffprüfung. Die Qualifizierungseinheiten bilden in ihrer Gesamtheit alle Positionen der Ausbildung zum Werkstoffprüfung vollständig ab. Die berufsanschlussfähigen Teilqualifikationen werden so konstruiert, dass jede einzelne von ihnen eine berufliche Handlungsfähigkeit zulässt – sprich eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt.

    Teilqualifikationen sollen dem Fachkräftemangel entgegenwirken und zur Reduzierung der Zahl geringqualifizierter Personen beitragen sowie zur Integration von Berufsrückkehrern in den ersten Arbeitsmarkt. Teilqualifizierungen modularisieren die Berufsausbildung und gestatten flexible Ein-und Ausstiege bei der Berufsausbildung. Die Idee dahinter ist einerseits, eine kurzfristige Integration in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Andererseits soll die Lernmotivation unterstützt werden durch eine schrittweise Berufsausbildung, die unterbrochen werden kann.

    Bei erfolgreicher Absolvierung aller Teilqualifizierungen des Ausbildungsberufes kann zur IHK-Facharbeiterprüfung zugelassen werden. Zertifizierte Teilqualifikationen wie die unsrigen können durch die Bundesagentur für Arbeit gefördert werden. Zu den anwendbaren Förderprogrammen gehört zum Beispiel die Initiative zur Flankierung des Strukturwandels (IFlaS). Unternehmen setzen berufsanschlussfähige Teilqualifikationen für die geförderte Weiterbildung von Mitarbeitern im Rahmen längerfristiger Personalentwicklung ein.

    Die sechs zertifizierten Teilqualifikationen des Werkstoff Service aus dem Berufsbild des Werkstoffprüfer erfüllen die Konstruktionsprinzipien der Bundesagentur für Arbeit für berufsanschlussfähige Teilqualifizierungen und gliedern sich inhaltlich wie folgt:

    1) Grundlagen der zerstörungsfreien Prüfung (Prüfwerker)
    2) Grundlagen der zerstörenden Werkstoffprüfung
    3) Zerstörungsfreie Prüfung I und mobile Werkstoffprüfung
    4) Werkstoffprüfung und Wärmebehandlung
    5) Zerstörungsfreie Prüfung II und Strahlenschutz
    6) Komplexe zerstörende und zerstörungsfreie Prüfung

    Die mehrmonatigen Teilqualifizierungen können einzeln absolviert aber auch kombiniert werden. Den Konstruktionsprinzipien der Bundesagentur folgend beinhalten alle Teilqualifikationen eine betriebliche Praktikumsphase von 25% der Qualifizierungsdauer. Die Teilqualifikationen des Werkstoff Service kommen für eine Zulassung zur IHK-Prüfung in Betracht. Über die Zulassung entscheidet jedoch die jeweils zuständige IHK. Einzelheiten zum Inhalt der einzelnen Teilqualifikationen finden sich unter www.qualifizierung.org

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  • 11. Februar 2013

    Wie funktioniert eigentlich Eindringprüfung?

    Die Eindringprüfung ist eines der ältesten zerstörungsfreien Prüfverfahren. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts war es zum Beispiel im Bereich Eisenbahn üblich, Räder auf Risse zu prüfen, indem man sie in große Tanks tauchte, die mit Schweröl gefüllt waren, das mit Petroleum verdünnt wurde. Die Oberflächen der Eisenbahnräder wurden nach der Entnahme aus dem Tank sorgfältig gereinigt und mit einer Suspension aus Kreide und Alkohol bestrichen.

    Nachdem der Alkohol verdunstet war, wurden die Räder mit einem Hammer zum Schwingen angeregt, was das dazu führte, dass das Schweröl aus den Oberflächenöffnungen (zum Beispiel Risse) in die Kreideschicht getrieben wurde. Mögliche Fehler zeichneten sich auf den Radoberflächen als dunkle Anzeigen auf weißem Grund ab. Dieses Verfahren wurde bis in die 40iger Jahre des letzten Jahrhunderts angewendet und dann durch die aufkommende Magnetpulverprüfung ersetzt.

    Moderne Prüfsysteme und Techniken der Farbeindringprüfung (Anwendung bei Taglicht) und fluoreszierenden Eindringprüfung (Anwendung in abgedunkelter Umgebung zur Erhöhung der Empfindlichkeit) arbeiten heute nicht mehr mit Schweröl und Kreide, aber wie damals werden auch heute folgende Komponenten benötigt:

    • Ein Reinigungsmittel (damals z.B. Petroleum)
    • Ein Eindringmittel (damals Schweröl)
    • Ein Entwickler (damals Kreide)
    Jede Eindringprüfung beginnt immer damit, dass zunächst dafür gesorgt werden muss, dass das Eindringmittel überhaupt in vorhandene Risse eindringen kann. Das bedeutet Dreierlei (Bilder 1 und 2):
    • Putzen, um z.B. Ablagerungen, Schmutz, … aus Rissen zu entfernen, damit das Eindringmittel auch in die Risse eindringen kann.
    • Putzen, um die Oberflächenspannung des Bauteils soweit zu reduzieren, dass das Eindringmittel die Oberfläche optimal benetzt (Hinweis: beim Wachsen eines Autos nach dem Reinigen will man den umgekehrten Effekt erreichen – das Wasser soll die Oberfläche schlecht benetzen und abperlen).
    • Putzen, um alle Verunreinigungen von der Oberfläche zu beseitigen, denn man will nur sogenannte relevante Anzeigen sehen (hervorgerufen durch Oberflächenfehler im Bauteil) und nicht sogenannte Scheinanzeigen (hervorgerufen durch Eindringmittel, dass sich z.B. an Verunreinigungen, die nicht beseitigt wurden, abgelagert hat).

     

    Putzen, Putzen, Putzen - die ersten Schritte bei der Eindringprüfung

    Auf die saubere Bauteiloberfläche wird nun das Eindringmittel aufgebracht (Bild 3). Unter der Wirkung des Kapillareffektes dringt es in die Oberflächenöffnung ein. Je schmaler die Öffnung, desto größer der Kapillareffekt und desto größer die treibende Kraft auf das Eindringmittel. Die Eindring-Geschwindigkeit wird allerdings durch die Viskosität des Eindringmittels bestimmt. Je größer die Viskosität, desto langsamer die Eindringgeschwindigkeit und desto größer die Eindringzeit. Es wäre also keine gute Idee, Honig (sehr hohe Viskosität) als Eindringmittel zu verwenden …

    bild3-4-eindringmittel-eindringpruefung.gif

    Anschließend wird das Eindringmittel von der Bauteiloberfläche entfernt – aber so, dass es in den Rissen verbleibt (Bild 4). Es ist also keine gute Idee, zum Reinigen Pinsel oder Hochdruckreiniger zu benutzen. Diesen Reinigungsvorgang nennt man Zwischenreinigung, und auch das bedeutet wieder gründliches Putzen.

    Nun wird der sogenannte Entwickler in einer möglichst dünnen Schicht auf die Bauteiloberfläche aufgetragen (Bild 5). Der Entwickler erfüllt drei Funktionen:

    • Er dient als Kontrastmittel – wie in den nachfolgenden Bildern skizziert, lässt sich z.B. eine rote Anzeige auf weißem Grund wesentlich besser erkennen als eine rote Anzeige z.B. auf dunklem Grund.
    • Er unterstützt das „Herausholen“ des Eindringmittels aus dem Riss. Warum ist das nötig? Weil die Kraft des Kapillareffektes hält das Eindringmittel im Riss festhält. Es hat also wenig Grund, aus dem Riss heraus zu kommen, wenn nicht eine Kraft angewendet wird, die größer ist als die des Kapillareffektes. Was für eine Kraft ist das? Das ist auch eine Kapillarkraft (Bild 6)!
      Der Entwickler besteht aus winzigen Körnern, die zum Teil auch noch von Öffnungen durchzogen sind. Die Zwischenräume zwischen den Körnern und die Hohlräume in ihnen sind viel schmaler als die Rissöffnungen und deshalb ist ihre Kapillarkraft größer als die des Risses. Das Eindringmittel wird also aus dem Riss und in die Entwicklerschicht gezogen.
    • Es „vergrößert“ die Rissanzeige. Weil das Eindringmittel in der Entwicklerschicht nicht nur in die Höhe, sondern auch in die Breite läuft, wird die Anzeige des Risses immer etwas größer sein, als seine Abmessungen (Breite und Länge) auf der Bauteiloberfläche (siehe auch Bild 9).

     

    Wie erhält man die meisten Informationen über einen Oberflächenfehler bei der Eindringprüfung?
    Indem man die sogenannte Anzeigendynamik beobachtet (Bilder 7 bis 9).
    Das bedeutet, man beobachtet die Entwicklung der Anzeige im Zeitverlauf.

    Die Eindringprüfung hat gegenüber anderen zerstörungsfreien Prüfverfahren einige Vorteile und Nachteile.
    Einige davon wären:

    • Vorteil: Es können praktisch alle Materialien und Werkstoffe geprüft werden
    • Vorteil: Das Eindringverfahren kann sich an viele Bauteilgeometrien und Konturen anpassen
    • Nachteil: Das Verfahren ist relativ zeitaufwendig (aber dafür können auch relativ große Flächen in „einem Stück“ geprüft werden)
    • Nachteil: Es können nur Oberflächenfehler gefunden werden und auch nur solche, die auch zur Oberfläche des Bauteils hin offen sind

    Die Eindringprüfung wird oft unterschätzt und ist weit mehr als der oft zitierte Umgang mit drei Dosen (Reiniger, Eindringmittel, Entwickler)!

    Richtig angewendet kann man mit der Eindringprüfung (und speziell mit emulgierbaren, fluoreszierenden Eindringmitteln) mit sehr hoher Empfindlichkeit und Zuverlässigkeit prüfen. Das dafür erforderliche Know-how geht aber weit über den Inhalt dieses Beitrages hinaus.

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  • 1. Februar 2013

    Warum sich der Besuch einer Jobmesse immer lohnt ?!

    Eine Jobmesse (oder Jobbörse) ist bei richtiger Vorbereitung, sowohl für Anbieter von offenen Stellen oder von Weiterbildungsangeboten, als auch für Jobsuchende eine geradezu ideale Quelle für neue Chancen und Möglichkeiten.

    Der große Vorteil für beide Seiten liegt im direkten persönlichen Gespräch. Nirgendwo sonst ist man den Personalverantwortlichen so nahe, die Hürde für eine interessantes Gespräch so niedrig wie auf einer Jobmesse. Völlig ohne „Vorzimmer-Dame“, kann ein Bewerber die Gelegenheit nutzen, sich und seine Stärken vorzustellen. Er darf sich ziemlich sicher sein, das seine (bereits mitgebrachte und vorbereitete) Bewerbungsmappe in die richtigen Hände kommt und nicht auf einem großen Stapel im Sekretariat, aus dem noch einmal ausgesiebt wird. Völlig ungezwungen von einem Termindruck oder einem formalisiertem Gespräch kann er sich ehrlich – und auf eigene Initiative- darstellen. Weder der Bewerber noch der Stellenanbieter sind auf einer Messe zu Hause, auf seinem „Territorium“, keiner hat also einen „Heimvorteil“ und in einer solch ungezwungenen Atmosphäre redet es sich einfach unkomplizierter. Umgekehrt hat der Stellenanbieter die Qual der Wahl – denn jeder Bewerber hat natürlich andere Qualifikationen und Erfahrungen die er mitbringt. Aber besser eine Wahl zwischen vielen – als gar keine Wahl.
    Handfeste Gründe
    Neben den reinen Gesprächen – gibt es für Stellenbewerber aber noch weitere handfeste Gründe öfter mal auf einer Jobmesse vorbei zuschauen. Da ist zum einen der häufig angebotene „Bewerbungsmappen-Check“. Hier wird von Experten die schriftliche Bewerbung kritisch durchleuchtet und Verbesserungspotential aufgezeigt. Oft hilft schon ein optisches „Tuning“ der Bewerbung um positiv aufzufallen.
    Dazu gehört auch das Bewerbungsfoto. Auf jeder Jobmesse gibt es die Möglichkeit ein optimales Bewerbungsbild – meist zum kleinen Preis – machen zu lassen. Denn hier gilt, ähnlich wie bei einem Rendezvous das Motto: Der erste Eindruck zählt.
    Nach Neuem umschauen
    Ideal sind solche Jobmessen aber auch um seinen eigenen Bewerbungs-Radius zu erweitern. Sind die Jobaussichten für einen bestimmten Beruf eher schlecht, kann man sich auf solchen Jobbörsen gezielt nach Berufs- oder Branchenalternativen umsehen, die ebenfalls den eigenen Neigungen entsprechen und die man bisher noch so gar nicht auf dem Schirm hatte. Auch für eine berufliche Neuorientierung ist dies ein Ort, wo individuell erste Kontakte gesammelt werden können. Warum nicht mal ein Praktika in einem ganz anderem Bereich machen?
    Und zu guter Letzt sind solche Jobmesse natürlich auch der Ort, wo über Weiterbildung umfassend informiert wird. Denn am Ende entscheidet die bessere Qualifizierung mit über den Traumjob.
    Fazit: Ein Besuch einer Jobmesse lohnt sich also immer!

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  • 23. Dezember 2012

    Prüfwerker nach DIN 54161

    Die Norm DIN 54161 „Zerstörungsfreie Prüfung – Qualifizierung von Prüfwerkern der zerstörungsfreien Prüfung“ legt die Anforderungen für die Qualifizierung und die Qualifizierungsprüfung von Prüfwerkern fest.

    Der Begriff Prüfwerker beschreibt dabei Personal der zerstörungsfreien Prüfung mit Qualifikationen unterhalb (!) der Stufe 1 nach DIN EN ISO 9712 (ersetzt ab Januar 2013 die DIN EN 473). Die Qualifizierung zum Prüfwerker kommt u.a.in Betracht:

    • für Prüfaufgaben, für die keine Qualifizierung nach DIN EN IS0 9712 gefordert ist
    • als „Vorqualifizierung“ auf dem Weg zur Qualifizierung nach DIN EN ISO 9712

    DIN 54161 gilt für die Qualifizierung von Prüfwerkern in den Verfahren:

    • Ultraschallprüfung (UT) und Durchstrahlungsprüfung (RT)
    • Wirbelstromprüfung (ET) und Magnetpulverprüfung (MT)
    • Eindringprüfung (PT) und Sichtprüfung (VT)

    Die Norm darf aber auch sinngemäß auf weitere Prüfverfahren angewendet werden.

    Die Qualifizierung zum Prüfwerker umfasst die folgenden Kenntnisse und Fertigkeiten:

    • Verfahrens- und gerätetechnische Grundlagen für einfache Prüfaufgaben
    • Handhabung von Prüfgeräten und Zubehör
    • Durchführung einfacher Funktionskontrollen
    • Erledigung einfacher Prüfaufgaben mit voreingestellten Geräten und nach Prüfanweisung
    • Erkennung und Protokollierung von Anzeigen und Ausfüllen einfacher Protokolle

    Voraussetzungen für die Qualifizierung zum Prüfwerker sind:

    • Abschluss einer allgemein- oder berufsbildenden Schule oder eine vergleichbare Vorbildung
    • Nachweis ausreichender Sehfähigkeit

    Die Qualifizierung zum Prüfwerker setzt sich zusammen aus theoretischen Unterricht und praktischen Übungen. Die Mindestausbildungszeit nach DIN 54161 beträgt:

    • 24 Stunden für die Verfahren UT, RT, ET
    • 12 Stunden für die Verfahren VT, PT, MT

    Diese sehr kurzen Ausbildungszeiten können allerdings nur einen kleinen Teil der Prüftechniken berücksichtigen, die nach DIN EN ISO 9712 in den jeweiligen Prüfverfahren in den Stufen 1 oder 2 gelehrt werden.

    Noch erfolgreicher Qualifizierungsprüfung, die aus einem theoretischen Teil und einem praktischen Teil besteht, erhält der frischgebackene Prüfwerker ein Zeugnis, in dem u.a. angegeben sind:

    • die Information, dass die Qualifizierung auf Basis der DIN 5416 erfolgte
    • das unterrichtete Prüfverfahren und die vermittelten Prüftechniken
    • die Anzahl der theoretischen und praktischen Unterrichtsstunden
    • die Bestätigung der bestandenen Prüfung

    Welche Vorteile hat die Prüfwerker-Ausbildung?
    Sie ist gut geeignet für die betriebsinterne Schulung von Prüfpersonal in solchen Fällen, wo keine Qualifizierung nach DIN EN IS0 9712 gefordert ist. Sie gestaltet es zudem, sehr flexibel auf unternehmensspezifische Qualifizierungswünsche für spezielle Prüfverfahren einzugehen, da die DIN 54161flexibler angewendet werden kann, als die DIN EN ISO 9712.

    Was kann die Prüfwerker-Ausbildung nicht leisten? 
    Sie ersetzt nicht die weitaus umfangreichere Qualifizierung nach DIN EN ISO 9712 und sie ersetzt nicht Forderungen nach Prüfpersonal, das gegebenenfalls auf Basis dieser ISO-Norm qualifiziert und zertifiziert sein muss.

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  • 26. Oktober 2012

    Wie funktioniert eigentlich … Wärmebehandlung von Eisenbahnrädern?

    Eisenbahnrädern gehören zu den am meisten belasteten Komponenten eines Schienenfahrzeuges. Sie tragen hohe Lasten. Sie führen das Fahrzeug durch Weichen und Kurven. Sie übertragen Brems- und Beschleunigungskräfte und die Temperaturen auf der Radoberfläche können dabei viele Hundert Grad Celsius erreichen.

    Die verschiedenen Funktionsbereiche (Bild 1) des Rades, wie z.B. der Radkranz (1) mit der Verschleißreserve (2), der Spurkranz (3), das Blatt (4) und die Nabe (5) erfüllen dabei verschiedene Aufgaben und benötigen dafür ver-schiedene Werkstoffeigenschaften. Diese Werkstoffeigenschaften werden ganz wesentlich durch die Wärmebe-handlung der Räder bestimmt.

    Bild 1

    Die Wärmebehandlung beginnt mit der Erwärmung auf die sogenannte Austenitisierungstemperatur. Räder bestehen üblicherweise aus unlegierten bzw. niedriglegierten Kohlenstoffstählen, die man bei ca. 800 – 900°C austenitisiert. Bei diesen Temperaturen wandelt sich das Atomgitter des Eisens von einer kubisch-raumzentrierten Struktur (Ferrit) in eine kubisch-flächenzentrierte Struktur (Austenit) um, Karbide werden aufgelöst und der Kohlenstoff gleichmäßig im Werkstoff verteilt. Danach wird das rotglühende Rad aus dem Ofen entnommen und in eine Abkühlmaschine gelegt, um es gezielt abzukühlen. Bild 2 zeigt ein solches Rad in der Kühlvorrichtung kurz vor Beginn des eigentlichen Abkühlprozesses.

    eisenbahnrad-waermebehandlung02

    Das Rad beginnt nun, in der Abkühlmaschine zu rotieren und gleichzeitig wird der Radkranz gezielt mit Wasser oder/und Luft gekühlt (Bild 3), wobei die Kühlmengen, Kühlzeiten und Kühlmedien durch den Computer der Abkühlmaschine gesteuert werden. Mit dieser kontrollierten Abkühlung werden im Radkranz des Rades ganz gezielt mechanische Eigenschaften (u.a. Festigkeit, Zähigkeit) und ein optimales Gefüge eingestellt. Das Gefüge, das sich hinsichtlich des Verschleißes der Radlaufflächen als optimal herausgestellt hat, ist ein perlitisch-ferritisches Gefüge – ein Phasengemisch aus Eisen und Eisenkarbiden.

    Wenn der Radkranz des Rades abgekühlt ist (Bild 4), wird das Rad aus der Abkühlmaschine genommen und die weitere Kühlung des Rades erfolgt an ruhender Luft. In dem Zustand, den das Bild 4 darstellt, steht der Radkranz des Rades unter Zugspannungen, denn er will sich zusammenziehen, wird aber durch das noch heiße Blatt und die heiße Nabe daran gehindert, welche selbst unter Druckspannungen stehen.

    Das Kühlen des Rades und insbesondere des Radkranzes ist der wichtigste Prozessschritt bei der Wärmebehandlung von Eisenbahnrädern, bei dem innerhalb von wenigen Minuten die mechanischen Eigenschaften und das Gefüge erzeugt werden. Die „Kunst“ besteht dabei darin, so schnell abzukühlen, dass die geforderten Festigkeiten erreicht werden und gleichzeitig so langsam abzukühlen, dass unerwünschte Gefügebestandteile wie z.B. Martensit nicht entstehen.

    Durch die Abkühlung an ruhender Luft sind schließlich auch das Blatt und die Nabe des Rades erkaltet (Bild 5). Die im Vergleich mit dem Radkranz langsamere Kühlung von Blatt und Nabe erzeugen in diesen Funktionsbereichen die spezifischen mechanischen Kennwerte, die dort benötigt werden. Außerdem führt diese Art der Abkühlung dazu, dass am Ende des Kühlprozesses Teile des Blattes unter Zugspannung stehen und der Radkranz dafür unter Druckspannungen. Das ist auch so gewollt, denn die Druckeigenspannungen im Radkranz sollen der Bildung von Rissen entgegenwirken, die durch den Rad-Schiene-Kontakt oder das Klotzbremsen der Räder entstehen könnten.

    Schließlich werden die Räder noch einmal bei ca. 450-550°C angelassen, doch anders als zum Beispiel beim Vergüten, führt dieser Wärmebehandlungsschritte zu keinen Gefügeänderungen mehr, sondern soll lediglich innere Spannungen abbauen. Das Gefüge und damit alle Eigenschaften des Rades entstehen ausschließlich im Zuge der kontrollierten Abkühlung des Rades und insbesondere des Radkranzes.

    Zu den Werkstoffkennwerten eines Eisenbahnrades, die durch die Wärmebehandlung beeinflusst werden und im Zuge vorgeschriebener Werkstoffprüfungen nachgewiesen werden müssen, gehören unter anderem: Festigkeit, Zähigkeit, Bruchzähigkeit, Ermüdungsfestigkeit, Mikrostruktur (Gefügebestandteile und Korngröße) und der Eigenspannungszustand des Rades.

    Die Leistungsfähigkeit eines Eisenbahnrades ist nicht in einem besonderen Stahl begründet. Ganz im Gegenteil handelt es sich üblicherweise um „einfache“ unlegierte Kohlenstoffstähle – allerdings von hoher Reinheit (also Edelstähle). Es ist die Wärmebehandlung der Räder, die für optimale Werkstoffeigenschaften und damit für optimales Betriebsverhalten sorgt.

    Werkstoff Service (www.rail-service.info) entwickelt gemeinsam mit seinen Partnern MSA Chemnitz (www.msa-chemnitz.de) und ITW Chemnitz (www.itw-chemnitz.de) im Rahmen eines öffentlich geförderten Forschungsprojektes Wärmebehandlungstechnologien für den Bereich Eisenbahn (Bild 6). Moderne Abkühlmaschinen sind heute CNC-Anlagen für Produktionskapazitäten von vielen 100.000 Rädern im Jahr, in denen Räder vollautomatisch mit höchster Qualität produziert werden.

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  • 31. August 2012

    Schritt-für-Schritt Anleitung zur Justierung des (SPK) SenkrechtPrüfKopf 1090

    Unter diesem Link kann eine Schritt-für-Schritt Anleitung
    zur Justierung des (SPK) SenkrechtPrüfKopf Digital-ECHOGRAPH 1090 der Fa. Karl Deutsch als PDF heruntergeladen werden. Continue reading Schritt-für-Schritt Anleitung zur Justierung des (SPK) SenkrechtPrüfKopf 1090

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  • 20. August 2012

    Werkstoff Service hält Europas Schienenverkehr auf Spur

    Seit nunmehr drei Jahren sind die Fachleute der Werkstoff Service GmbH in Europa unterwegs und führen Anerkennungen von Instandhaltungswerkstätten für den Industriesektor Eisenbahn durch. Heute betreuen wir über 50 Werkstätten in 13 Ländern Europas. Wir begleiten diese Werkstätten bei der kontinuierlichen Qualitätsverbesserung, unterstützen sie mit unserem fachspezifischen Knowhow und leisten so unseren Beitrag, dass der Schienenverkehr sicher ist und bleibt.

    Unsere Arbeit beruht auf einer deutschen Norm, die das Eisenbahnbundesamt für seinen Zuständigkeitsbereich zur Regel der Technik erklärt hat. Die Norm fordert, dass dort, wo Schienenfahrzeuge instandgehalten werden, sicherheitsrelevante Bauteile mit Methoden der zerstörungsfreien Prüfung untersucht werden und dass diese Prüfprozesse durch eine „Fachlich Zuständige Stelle“ anerkannt werden müssen.

    Die Durchführung dieser Anerkennungen ist unsere Aufgabe als eine von zwei Fachlich Zuständigen Stellen in Deutschland. Unsere Kompetenz schöpfen wir aus über 20 Jahren Berufserfahrung im Industriesektor Eisenbahn in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Qualitätsmanagement, Lieferantenqualifizierung, Werkstoffprüfung, Schadensanalyse und natürlich in der zerstörungsfreien Prüfung.

    Im Rahmen unserer Anerkennungsaudits nehmen wir das Qualitätsmanagement der Werkstätten unter die Lupe und prüfen, ob die notwendigen Dokumente vorhanden sind. Wir überzeugen uns von der Leistungsfähigkeit der verwendeten Prüftechnik und ihrer regelmäßigen Überwachung. Und wir analysieren die Kompetenzen und die Fertigkeiten des Prüfpersonals, indem wir Prüfabläufe besichtigen und bewerten.

    Unser Zwischenfazit nach nunmehr drei Jahren fällt sehr positiv aus. Wir haben uns in allen Werkstätten willkommen gefühlt, denn unsere Audits werden als Unterstützung bei der kontinuierlichen Verbesserung der Prüfprozesse verstanden. Die übergroße Zahl der Werkstätten prüft auf hohem Niveau mit moderner Technik und kompetentem Personal. Und auch wir lernen da und dort natürlich noch dazu. Besonders wertvoll sind für uns die vielfältigen internationalen Kontakte und die tiefen Einsichten in die Funktions- und Arbeitsweisen von Werkstätten an verschiedenen Orten in Europa.

    Mit unseren Erfahrungen im Bereich der zerstörungsfreien Prüfung unterstützen wir die Vereinigung der Privatgüterwagen-Interessenten (VPI) mit Sitz in Hamburg. Die VPI repräsentiert Unternehmen der Schienengütertransportbranche aus ganz Europa, die zusammen mehr als 60.000 Güterwagen auf die Schiene bringen. Und wir tun das Unsrige, dass diese und andere Wagen auch zukünftig zuverlässig rollen.

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  • 13. August 2012

    Was sind eigentlich … Messunsicherheiten? Teil 4 – Ermittlung der Messunsicherheit mit statistischen Methoden

    Teil 4 des Blogs widmet sich der Bestimmung der Messunsicherheit mit statistischen Methodenund unter Verwendung von Referenzmaterial. Wie schon im Teil 3 soll das Vorgehen am Beispiel der Messung der elektrischen Leitfähigkeit σ erläutert werden.

    Wieder ermitteln wir die Leitfähigkeit durch Messung der Länge l und der Kantenlänge a des Leiters sowie seines ohmschen Widerstandes R und berechnen die Leitfähigkeit s mit der Formel:

    Für die Ermittlung der Messunsicherheit wählen wir nun aber keinen analytischen Ansatz auf Basis des mathematischen Modells (siehe Teil 3), sondern nutzen ausschließlich statistische Überlegungen unter Verwendung von Referenzmaterial. Wir betrachten nachfolgend nur die kombinierte mittlere quadratische Messunsicherheit.

    Wir benötigen Referenzmaterial, das den Messbereich für die Leitfähigkeitsmessungen „abdeckt“. Gegebenenfalls ist eine Referenzprobe für den gesamten Messbereich ausreichend (Ein-Punkt-Verfahren), oder der Messbereich muss mit mehreren Referenzproben „abgedeckt“ werden (Mehr-Punkt-Verfahren). Wir verwenden nachfolgend das Ein-Punkt-Verfahren.

    Der „wahre Wert“ (siehe Teil 1 ) der Leitfähigkeit unserer Referenzprobe muss möglichst genau bekannt sein – optimalerweise dokumentiert in einem Zertifikat, in dem die Art der Ermittlung der Leitfähigkeit und die Rückführbarkeit der Messmethode angegeben werden ebenso wie die Einzelwerte der Messungen und die Messunsicherheit mit Vertrauensintervall und Vertrauensniveau.

    Die kombinierte Messunsicherheit bei statistischer Analyse unter Verwendung von Referenzmaterial setzt sich in unserem Fall aus 3 Unsicherheitsbeträgen zusammen:

    1) Durch m Messungen an der Referenzprobe wird die Genauigkeit (siehe Teil 2) des verwendeten Prüfverfahrens ermittelt. Die Streuung sRef der Messwerte der Referenzprobe liefert die Basis für den ersten Unsicherheitsbeitrag.

    2) Die Unsicherheit uZert , die mit der Ermittlung der Leitfähigkeit der Referenzprobe verbunden ist, entnehmen wir im einfachsten Falle direkt dem Zertifikat des Referenzmaterials.

    3) Durch n Messungen an der zu untersuchenden Probe wird die Leitfähigkeit dieser Probe ermittelt. Die Streuung sProb der Messwerte der Probe liefert die Basis für den dritten Unsicherheitsbeitrag, der die Probeneigenschaften erfasst.

    Für die kombinierte Messunsicherheit der Leitfähigkeitsmessung ergibt sich die folgende Formel:

    Dabei sind tm und tn sind die sogenannten Student-Faktoren, die die Tatsache berücksichtigen, dass die Anzahl der Messungen m und n häufig klein sind. Die Rechnungen vereinfachen sich, wenn m und n gleich sind.

    Wenn uZert nicht unmittelbar aus dem Zertifikat des Referenzmaterials zu entnehmen ist, dann müssen die p im Zertifikat angegebenen Einzelwerte und ihre Streuung sZert „von Hand“ berechnet werden. Die Formel ändert sich dann wie folgt:

    Bei beiden Formeln kann es sich sowohl um einfache als auch um erweiterte Messunsicherheiten handeln – je nachdem, ob die Student-Faktoren tm , tn und tp ein 68%-Vertrauensniveau oder ein höheres Vertrauensniveau berücksichtigen. Den Erweiterungsfaktor k kann man in diesem Falle durch die Stundent-Faktoren ersetzen.

    Mehr über die verschiedenen Herangehensweisen bei der Ermittlung von Messunsicherheitenin unserem Anwenderseminar.
    Informationen zum Seminar unter www.messunsicherheit.info.

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  • 7. August 2012

    Was sind eigentlich … Messunsicherheiten? Teil 3 – Analytische Ermittlung der Messunsicherheit für die Leitfähigkeit

    Im Teil 3 des Blogsbeitrags wollen wir die Unsicherheit bei der Messung der elektrischen Leitfähigkeit σ diskutieren. Dafür verwenden wir die folgende Formel, die einem einfachen Modell entspricht, das nicht alle Einflussgrößen beinhaltet, aber das Wesentliche zeigt:

    Die Formel besagt, dass der ohmsche Widerstand R eines Leiters gleich seiner Länge l dividiert durch seine Leitfähigkeit σ und seinen Querschnitt A ist. Wir stellen die Formel nach σ um und nehmen an, dass unser Leiter einen quadratischen Querschnitt mit der Kantenlänge a hat (das macht die Formeln etwas einfacher). Mit A = a2 erhalten wir:

    Die Formel erfüllt die Anforderungen an ein mathematisches Modell nach GUM-Leitfaden. Zudem liefert uns die Formel unsere Messvorschrift. Und die lautet: „Miss die Länge l und die Kantenlänge a des Leiters. Ermittle seinen ohmschen Widerstand R. Berechne aus l, a und R die Leitfähigkeit σ.“

    Wir wollen zwei verschiedene Varianten für die Ermittlung der Messunsicherheiten diskutieren. Variante 1 ist ein analytischer Ansatz, der das mathematische Modell nutzt. Variante 2 ist ein statistischer Ansatz, der Referenzmaterial voraussetzt. Variante 2 wird Gegenstand von Teil 4 dieses Beitrages werden.

    Variante 1 erfordert ein wenig höhere Mathematik (Ermittlung des totalen Differentials für σ) und einige weitere Rechenschritte. Das Ergebnis ist die nachfolgende Formel, in der ul , uR , uadie einfachen Unsicherheiten bei der Messung von Länge l, Widerstand R und Kantenlänge a sind. Die kombinierte maximale Messunsicherheit uσ für die Leitfähigkeit ist dann:

    Die drei Brüche in der Formel sind die sogenannten Empfindlichkeitskoeffizienten cl , cR , ca, die mit Hilfe der gemessenen Werte berechnet oder experimentell ermittelt werden. Kompakt geschrieben, erhalten wir folgende Formel (die Betragszeichen „verhindern“ negativen Unsicherheitsbeiträge):

    Wie werden die Messunsicherheiten ul , uR , ua bestimmt? Wird die Länge der zu messenden Metallstabes mit einem Lineal ermittelt, dann entspricht die Unsicherheit der Längenmessung der halben Skalenteilung STl des Lineals dividiert durch 3 (Rechteckverteilung der Messwerte). Die einfache Messunsicherheit der Widerstandsmessung wird zum Beispiel als Wert ZR dem Zertifikat des benutzten Multimeters entnommen. Wird die Kantenlänge a mit einem analogen Messschieber gemessen und gelegentliches Verkannten des Messschiebers berücksichtigt, dann entspricht die Unsicherheit der halben Skalenteilung STm des Messschiebers dividiert durch 6 (Dreieckverteilung der Messwerte).

    Mit den oben angegebenen Formeln für uσ wird die maximale Messunsicherheit ermittelt (alle Unsicherheiten addieren/verstärken sich). In der Realität werden sich die Unsicherheitsmechanismen aber nicht ständig maximal verstärken. Dem trägt die nachfolgende Formel Rechnung, die eine kombinierte mittlere quadratische Messunsicherheit beschreibt:

    Die Verwendung mittlerer quadratischer Unsicherheiten ist die übliche Verfahrensweise bei der Messunsicherheitsberechnung. Unsere Messunsicherheit uσ beschreibt ein Vertrauensintervall, in dem der wahre Wert mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 68% liegt. Ist eine größere Sicherheit nötig, dann muss die Messunsicherheit mit einem Faktor k erweitert werden:

    U ist die erweiterte Messunsicherheit, und k = 2 findet man häufig, wenn sich der wahre Wert der Messgröße mit 95%iger Wahrscheinlichkeit innerhalb des Intervalls befinden soll, das durch U definiert wird.

    Allerdings ist die Anwendung „einfacher“ Erweiterungsfaktoren wie 2, 3, … oft nicht ganz korrekt!

    Den nächsten Teil der Serie „Was sind eigentlich … Messunsicherheiten?“ finden Sie unter diesem Link Teil 4 (Ermittlung der Messunsicherheit mit statistischen Methoden).
    Mehr zum Thema Messunsicherheiten gibt es in unserem „Anwenderseminar Messunsicherheiten“. Informationen zum Seminar finden Sie unter: www.messunsicherheit.info

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  • 17. Juli 2012

    Was sind eigentlich … Messunsicherheiten? Teil 2 – Generelles Vorgehen

    Der erste Teil des Beitrages begann mit dem Satz: Die Messunsicherheit beschreibt die Genauigkeit einer Messung… Aber was bedeutet Genauigkeit? Ein Messergebnis ist genau, wenn es sowohl richtig als auch präzise ist!

    Die Richtigkeit ist ein Maß dafür, wie gut der Mittelwert mehrerer Messungen einen Sollwert (z. B. den „richtigen Wert“ einer Referenzprobe) trifft. Die Präzision beschreibt die Streuung der einzelnen Messwerte um diesen Mittelwert unter der Voraussetzung, dass man die Messungen unter identischen Bedingungen wiederholt.

    Die Messunsicherheit setzt eine möglichst hohe Richtigkeit des Messprozesses voraus und beschreibt auf der Basis dieses „richtigen Messprozesses“ die Abweichungen der einzelnen Messwerte bzw. Mittelwerte vom wahren Wert (siehe Teil 1). Die Messunsicherheit beschreibt also nicht die Ungenauigkeit oder Fehlerhaftigkeit von Messprozessen, sondern ganz im Gegenteil das Maß an (möglichst hoher) Sicherheit, das mit der Messung verbunden ist!

    Das generelle Vorgehen bei der Ermittlung von Messunsicherheiten können wir in 7 Schritten zusammenfassen:

    Schritt 1
    Festlegung des Messverfahrens, mit dem wir z. B. eine physikalische Größe ermitteln wollen. Am Beispiel erklärt: Wenn wir die Masse m eines Körpers messen wollen, so könnten wir z. B.:
    • Dichte ρ und Volumen V ermitteln und damit berechnen: m = ρ ⋅ V
    • Gewichtskraft F und Fallbeschleunigung g ermitteln und damit berechnen: m = F / g

    Schritt 2
    Korrekte Einstellung der Messgeräte, denn die Bestimmung aussagefähiger Messunsicherheiten setzt eine richtige Messung voraus. Diese Einstellung kann mit Referenzproben oder Referenzverfahren erfolgen oder durch eine Kalibrierung der Geräte – z. B. durch ein akkreditiertes Kalibrierlabor, das wiederum Referenzproben oder Referenzverfahren benutzt …

    Schritt 3
    Ermittlung aller Einflussgrößen, die Auswirkungen auf die Messung haben. Auch hier am Beispiel erklärt: Wenn wir die Gewichtskraft F mit einer Waage messen, dann müssen wir uns u. a. Gedanken machen über:
    • die Genauigkeit der Mechanik bzw. Elektronik der Waage
    • die Art und Weise, wie und wo wir den Körper auf die Waage stellen
    • die Genauigkeit der Referenzmasse, mit der die Waage überprüft wird
    • der Auftrieb des Körpers

    Schritt 4
    Ermittlung der Verteilungsfunktionen für diese Einflussgrößen (Normalverteilung, Rechteckverteilung, Dreieckverteilung, …) und der Standardabweichungen, mit denen die Einflussgrößen streuen. Bezogen auf eine normalverteilte Größe bedeutet das, dass mit einer Sicherheit bzw. Signifikant von ca. 68% (±1⋅σ) gearbeitet wird.

    Schritt 5
    Überprüfung auf Korrelationen zwischen den Einflussgrößen. Das bedeutet, es ist zu prüfen, ob die Einflussgrößen abhängig (korreliert) oder unabhängig voneinander sind. Wird z. B. für die Überprüfung von zwei Einflussgrößen ein und derselbe Referenzkörper benutzt, dann sind diese Größen nicht mehr unabhängig voneinander. Korrelierte Einflussgrößen machen die Bestimmung der Messunsicherheit komplizierter – also möglichst vermeiden!

    Schritt 6
    Berechnung der einfachen Messunsicherheit aus den Standardunsicherheiten der Einflussgrößen. Für Einflussgrößen, die voneinander unabhängig sind, gilt:
    • Die mittlere Messunsicherheit ist die Wurzel aus der Summe der Quadrate der Standardabweichungen der Einflussgrößen. Dieses Vorgehen ist das “übliche Vorgehen“
    • Die maximale Messunsicherheit ergibt sich aus der Addition der Standardabweichungen

    Schritt 7
    Festlegung der erweiterten Messunsicherheit und damit eines erweiterten Vertrauensintervalls in dem ein erhöhtes Vertrauensniveaus (eine erhöhte Signifikanz) gilt. In der Laborpraxis ist ein Faktor 2 üblich, mit dem die einfache Messunsicherheit multipliziert wird. Dieser Faktor 2 (oder ± 2⋅σ oder ca. 95%) bedeutet, dass sich der wahre Wert der Messgröße mit etwa 95%iger Wahrscheinlichkeit (Vertrauensniveau) innerhalb des Intervalls befindet, das durch die Messunsicherheit definiert wird (Vertrauensintervall).

    Das Higgs-Teilchen – der etwas anderer Blick auf Messunsicherheiten

    Derzeit ist das Higgs-Teilchen oder auch Gottesteilchen, wie es aus Marketinggründen genannt wird, in aller Munde. Zwei Forscherteams mit jeweils ca. 2500 Wissenschaftlern arbeiten an den beiden Detektoren (ATLAS und CMS) des LHC, und haben beide ein Teilchen mit einer Energie von 125 GeV nachgewiesen (so wie es für das Higgs-Teilchen vorausgesagt wird) – das eine Team mit einer Signifikanz von 5⋅σ, das andere Team mit einer Signifikanz von 4,9⋅σ.

    Erst wenn die Signifikanz für beide Teams über 5⋅σ liegt, wird das Ergebnis als die Entdeckung des Higgs-Teilchens anerkannt. Was bedeutet das? Das bedeutet, erst wenn sich beide Teams mit einer Signifikanz von mehr als ± 5⋅σ oder 99,999943% ihrer Messungen sicher sind, gibt es Nobelpreise – wahrscheinlich einen für Peter Higgs (obwohl noch 5 andere Theoretiker diese Idee hatten) und sicher einen für einige Experimentalphysiker des CERN.

    Den nächsten der Serie „Was sind eigentlich … Messunsicherheiten?“ finden Sie unter diesem Link zum Teil 3

    Ein Hinweis in eigener Sache
    Informationen zu unserem Anwenderseminar „Messunsicherheiten in der Werkstoffprüfung“ finden sich unter www.messunsicherheit.info

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