• 20. Januar 2012

    Wie funktioniert eigentlich … magnetische Hysterese? (Teil 2 – Mathematik)

    Im ersten Teil des Blogbeitrages haben wir die magnetische Hysterese ferromagnetischer Werkstoffe als das Ergebnis des Zusammenspiels eines äußeren Magnetfeldes H und der magnetischen Flussdichte B, die die Vorgänge im Inneren des Ferromagneten beschreibt, kennengelernt.

    Wir haben im Teil 1 gesehen, dass der Begriff Hysterese (griechisch hysteros: Verzögerung, Verzug) darauf zurückzuführen ist, dass die Flussdichte B der äußeren Feldstärke H zeitlich verzögert folgt. Das passiert, weil die Weißschen Bezirke im Ferromagneten, deren Änderung die Flussdichte beschreibt, dem äußeren Magnetfeld nur dann folgen können, wenn ihnen genügend Energie zur Verfügung steht, um innere Widerstände zu überwinden.

     

    Abb. 1: Neukurve (NK) und Hysteresekurve (HK) eines Ferromagneten

    Nachdem wir die Hysteresekurve im ersten Teil physikalisch erklärt haben, wollen wir nun außerdem noch die Mathematik zu Hilfe nehmen, um die Eigenschaften von Hysteresekurven genauer zu analysieren. Alle Bilder in diesem Blogbeitrag wurden übrigens mit Hilfe einer Excel-Tabelle erstellt. Wir starten mit Abb. 1, die uns die Neukurve und die Hysteresekurve eines Ferromagneten zeigt. Ein gutes mathematisches Modell sollte uns folgendes liefern und erklären:

    • Form und Verlauf der Neukurve
    • Form und Verlauf der Hysteresekurve
    • Hysteresekurven unterschiedlicher Breite für Weich- und Hartmagnete

    Für die Erzeugung einer Hysteresekurve benötigen wir ein magnetisches Feld H, das seine Größe und Richtung ändert. Das können wir durch eine wechselstromdurchflossene Spule erzeugen – das Feld H hat dann einen sinusförmigen Verlauf. Wir nehmen zunächst einmal an, dass die Flussdichte B den „Kommandos“ der Feldstärke H umgehend (also ohne Verzug) folgt und daher einen sehr ähnlichen Verlauf hat. Mathematisch bedeutet das:

    H = Ho · sin(t) und B = Bo · sin(t)

     

    Abb. 2: sinusförmiger Verlauf von H und B ohne Phasenunterschied (ohne zeitliche Verzögerung)

    In Abb. 2 ist links der Zeitverlauf von H und B dargestellt. Da für H und B der Einfachheit halber eine identische Skalierung angewendet wurde, liegen beide Sinuskurven aufeinander. Rechts ist die Flussdichte B über der Feldstärke H aufgetragen und wir finden einen linearen Zusammenhang: Erhöht sich H, erhöht sich auch B. Ist H maximal, ist es auch B. Nimmt H ab, nimmt auch B ab, … Wir „laufen“ also einfach auf einer geneigten Linie hoch und runter (schwarzer Pfeil). Das hat nichts mit Hysterese zu tun.

    Jetzt bauen wir die zeitliche Verzögerung zwischen magnetischer Flussdichte B dem Magnetfeld H in unsere Formeln ein, indem wir in die Sinusfunktion für das B-Feld eine Phasenverschiebung (Zeitverschiebung) φ einfügen:

    H = Ho · sin(t) und B = Bo · sin(t + φ )

    Die Phasenverschiebung φ ist die „Zusatzzeit“, die die Flussdichte B wegen der Hysterese benötigt. Die Abb. 3 und 4 zeigen den Zusammenhang von H und B für Phasenverschiebungen von 1/20 Periode bzw. 1/10 Periode. Bezogen auf eine 50Hz-Wechselgröße (Periodendauer 20 ms) bedeuten diese Werte eine zeitliche Verzögerung der „Reaktion“ der Flussdichte B gegenüber den „Kommandos“ der Feldstärke H von 1 ms bzw. 2 ms.

    Abb. 3: sinusförmiger Verlauf von H und B mit einer Phasenverschiebung φ von 1/20 Periode

    Abb. 3 und 4 liefern uns jetzt in der Tat Hysteresekurven- also Kurven, die eine Fläche umschließen. Allerdings sehen diese ellipsenförmig aus und nicht „viereckig“ – das „ändern“ wir weiter unten noch … Vergleichen wir Abb. 3 und 4 mit Abb. 1, so erkennen wir zwei Sachverhalte wieder:

    • Wir haben in allen drei Fällen Hysteresekurven, auch wenn sich die Kurvenformen unterscheiden. Die Entstehung der magnetischen Hysterese hat in der Tat damit zu tun, dass die magnetische Flussdichte B dem äußeren Magnetfeld H zeitlich verzögert folgt (Phasenverschiebung φ ).
    • Je größer die zeitliche Verzögerung zwischen B und H, desto breiter werden offensichtlich die Hysteresekurven. Weich- bzw. hartmagnetisches Verhalten lässt sich also berechnen.

     


    Abb. 4: sinusförmiger Verlauf von H und B mit einer Phasenverschiebung φ von 1/10 Periode

    Wollen wir die Neukurve und das Sättigungsverhalten erklären, so müssen wir uns von dem Gedanken trennen, dass die magnetische Flussdichte B ebenso wie die Feldstärke H einen sinusförmigen Verlauf hat. Wir nehmen für B einen eher „kastenförmigen“ Verlauf an (Abb. 5) – diese Annahme wird einige Absätze weiter unten begründet. Mathematisch machen wir das, indem wir 5 Sinus-Funktionen verschiedener Ordnung (t, 3t, 5t, …) und unterschiedlicher Amplituden (B1, B3, B5, …) kombinieren. Auf eine Phasenverschiebung φ können wir zunächst verzichten.

    Man kann je nach Art und Anzahl der Sinusfunktionen beliebige Formen „erzeugen“: kastenförmige, dreieckige, kreisförmige, … Warum wurden hier gerade fünf Sinusfunktionen verwendet? Weil die Fünf ausreichend waren, um den dargestellten (und recht gut gelungenen) „Kasten“ zu erzeugen – vier hätten dafür nicht gereicht.
    Betrachten wir die Darstellung von B über H (Abb. 5, rechts) – und dort speziell den oberen rechten Teil, dann finden wir in guter Näherung unsere Neukurve (Abb. 5: NK) inklusive des Sättigungsverhaltens wieder.


    Abb. 5: Verlauf von H (sinusförmig) und B („kastenförmig“) ohne Phasenunterschied φ

    Zur Erklärung von Neukurve und Sättigung haben wir keinen Zeitverzug zwischen H und B benötigt. Soll unser mathematisches Modell nun Hysteresekurven erzeugen, die den „wirklichen“ Hysteresekurven nahekommen, so müssen wir die zeitliche Verzögerung zwischen H und B und den „kastenförmigen“ Verlauf von B miteinander kombinieren:

    B = B1 · sin(t + φ) + B3 · sin(3t + φ) + B5 · sin(5t + φ) + B7 · sin(7t + φ) + B9 · sin(9t+φ)

    Die Phasenverschiebung φ beschreibt wieder die zeitliche Verzögerung zwischen Feldstärke H und Flussdichte B. Abb. 6 und 7 zeigen den Zusammenhang von H und B wieder für Phasenverschiebungen von 1/20 bzw. 1/10 Periode.

    An dieser Stelle wollen wir klären und begründen, warum die Flussdichte B einen derart „kastenförmigen“ Verlauf hat. Weil sich die Weißschen Bezirke und damit auch die Flussdichte B zunächst nicht ändern, solange nicht genügend Energie für die Drehung der Weißschen Bezirke vorhanden ist. Das entspricht dem horizontalen Verlauf von B in den Abb. 6 und 7. Wenn genügend Energie zur Verfügung steht, dann geschieht die Änderung sehr schnell. Das entspricht dem nahezu vertikalen Verlauf von B in den Abb. 6 und 7. Zusammen ergibt das den „kastenförmigen“ Verlauf.


    Abb. 6: Verlauf von H (sinusförmig) und B („kastenförmig“) mit einem Phasenunterschied φ von 1/20 Periode

    Je größer die inneren Widerstände im Werkstoff, desto mehr Energie wird für die Drehung der Weißschen Bezirke benötigt. Um diese Energie zu sammeln, braucht es „Extrazeit“, die wir mit der Phasenverschiebung φ beschreiben. Eine große Phasenverschiebung produziert eine breite Hysteresekurve und beschreibt damit mathematisch die großen Energien, die für die Drehung benötigt werden.
    Wir haben nun „nahezu perfekte“ Hysteresekurven konstruiert. Unsere Zutaten waren:

    • sinusförmiger zeitlicher Verlauf der magnetischen Feldstärke H
    • „kastenförmiger“ Verlauf der magnetischen Flussdichte B
    • Phasenverschiebung φ zwischen H und B

    Für die Konstruktion der Hysteresekurven in den Abb. 6 und 7 haben wir Sinusfunktionen verschiedener Ordnung miteinander kombiniert. Ist dies nur eine mathematische Spielerei oder hat das auch werkstofftechnischen „Nährwert“?
    Dazu betrachten wir die Hysteresekurve in Abb. 8. Die ist durch dieselbe Kombination von Sinusfunktionen entstanden wie die in Abb. 7, aber mit einer Ausnahme:
    Die Amplitude B9 der letzten Sinusfunktion wurde ein klein wenig verändert – und die Auswirkungen sind in Abb. 8 deutlich sichtbar.


    Abb. 7: Verlauf von H (sinusförmig) und B („kastenförmig“) mit einem Phasenunterschied von 1/10 Periode

    Wie nutzen Werkstoffwissenschaftler so etwas?
    Nun, sie messen die Hysteresekurve eines „Gut-Werkstoffes“, zerlegen diese (oder genauer die Flussdichte B, die sich in der Hysteresekurve verbirgt) in ihre einzelnen Sinusfunktionen und ordnen bestimmten Werkstoffeigenschaften bestimmte Sinusfunktionen zu. Werden nun andere Proben dieses Werkstoffes untersucht und finden sich Veränderung in den Hysteresekurven (z.B. eine Änderung der Amplitude B9), dann kann man diese Änderung einer ganz bestimmten Sinusfunktion zuordnen und so Rückschlüsse auf die konkrete Werkstoffeigenschaft ziehen, die sich hinter dieser Sinusfunktion „verbirgt“.


    Abb. 8: Verlauf von H und B mit Phasenunterschied von 1/10 Periode und „Störung“ von B

    Das ganze Verfahren nennt man Oberwellenanalyse. Warum Oberwellenanalyse? Dazu betrachten wir noch einmal die Formel:

    B = B1 · sin(t) + B3 · sin(3t) + B5 · sin(5t) + B7 · sin(7t) + B9 · sin(9t)

    Die erste Sinusfunktion (sin(t)) nennt man Grundschwingung (oder auch Grundwelle) und alle anderen Sinusfunktionen (sin(3t), sin(5t), …) werden Oberwellen genannt. Diese werden der Oberwellenanalyse unterzogen. Mittels Oberwellenanalyse von Hysteresekurven lassen sich also die Materialeigenschaften ferromagnetische Werkstoffe prüfen.

    Die Oberwellenanalyse ist übrigens etwas, was jeder Mensch praktisch jeden Tag durchführt. Wir hören sofort, ob ein Ton harmonisch klingt oder eher dissonant (also unharmonisch). Dissonanzen werden u.a. durch „fehlerhafte“ Oberwellen verursacht. Unser Gehirn analysiert dazu die Oberwellen akustischer Töne. Was fehlerfrei ist, das „klingt gut“. Was fehlerhaft ist, nehmen wir als unangenehmen Klang wahr.

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  • 16. Januar 2012

    Wie funktioniert eigentlich … magnetische Hysterese? (Teil 1 – Physik)

    Magnetische Hysterese ist ein Phänomen, das bei ferromagnetischen Materialien auftritt, die sich in einem veränderlichen Magnetfeld befinden. Aus Sicht der Werkstofftechnik und Werkstoffprüfung interessiert uns die Hysterese von Ferromagneten z.B. bei der Herstellung von Dauermagneten oder bei der Magnetpulver- bzw. Wirbelstromprüfung. Zu den ferromagnetischen Werkstoffen gehören u.a. Kobalt und seine Legierungen, Nickel und seine Legierungen sowie Eisen und seine Legierungen (z.B. Stähle).

    Im ersten Teil dieses Blogbeitrages werden wir die magnetische Hysterese ausschließlich auf der Grundlage physikalischer Überlegungen diskutieren. Im zweiten Teil des Blogbeitrages werden wir vor allem die Mathematik zur Hilfe nehmen, um die Hysterese und die Hysteresekurven noch besser zu verstehen.

    Für die physikalische und noch mehr für die mathematische Erklärung der Hysterese ist es hilfreich, zunächst einmal zu fragen, was denn das Wort Hysterese bedeutet. Hysterese kommt vom griechischen Wort hysteros und bedeutet „Verzögerung“ oder „Verzug“. Für das Verständnis der Hysterese ist es sehr hilfreich, diese einfache Übersetzung im Hinterkopf zu behalten …

    Beschreibung der magnetischen Hysterese

    Ein unmagnetischer Ferromagnet ist ein Material, das das Potential hat, ein Dauermagnet zu werden, aber noch keiner ist. Diesen Ferromagneten platzieren wir in einem Magnetfeld – z.B. indem wir ihn in eine stromdurchflossene Spule legen. Das äußere Magnetfeld H erzeugt im Werkstoff ein zweites magnetisches Feld, die magnetische Flussdichte B. H ist gewissermaßen die äußere „Kommandogröße“ und B die Reaktion des Werkstoffs auf dieses Kommando. Die magnetische Hysterese beschreibt den Zusammenhang zwischen den beiden Größen magnetische Feldstärke und magnetische Flussdichte.

    Abb. 1: Neukurve und Hysteresekurve

    Wollen wir eine Hysteresekurve experimentell ermitteln, so platzieren wir einen unmagnetischen Ferromagneten in einer Spule, die zunächst stromlos ist. Das bedeutet, H und B sind Null, und wir befinden uns in Abb. 1 im Koordinatenursprung. Erhöhen wir nun die Stärke des äußeren Feldes H (indem wir die Stromstärke des Spulenstromes erhöhen), so ändert sich B zunächst sehr wenig (dies wird in der Abb. 1 nicht deutlich), steigt dann aber sehr schnell an und erreicht ab einer gewissen Feldstärke +HS eine Sättigung. Das bedeutet, B ändert sich nun kaum noch, auch wenn H weiter erhöht wird. Diesen Kurvenverlauf nennen wir Neukurve (graue Punkte, grauer Pfeil).Die Neukurve tritt nur bei zunächst unmagnetischen Ferromagneten auf.

    Reduzieren wir H wieder, so laufen wir nicht etwa auf der Neukurve zurück, sondern folgen der eigentlichen Hysteresekurve (schwarze Punkte, schwarze Pfeile), und wir messen für H = 0 eine von Null verschiedene Flussdichte +BR, das ist die Remanenz. Remanenz kommt vom lateinischen remanere und bedeutet „das, was übrig bleibt“. BR ist also die Flussdichte, die im Ferromagneten übrig bleibt, wenn das äußere Magnetfeld H ausgeschaltet ist. Jeder Dauermagnet „lebt“ von seiner Remanenz. Einen Ferromagneten zu magnetisieren und ihn zum Dauermagneten zu machen bedeutet, ihm seine Remanenz BR zu „verleihen“.

    Jetzt ändern wir die Richtung des äußeren Feldes H (z.B. indem wir den Stromfluss in der Spule umkehren), erhöhen H wieder und beobachten B. Bei einer bestimmten Feldstärke -HC, der Koerzitivfeldstärke, messen wir B = 0. Das lateinische Wort coercere bedeutet „in die Schranken verweisen“. HC ist also die Feldstärke, die nötig ist, um B in seine „Schranken zu verweisen“ (B = 0 zu erzwingen). Erhöhen wir H weiter, so erreichen wir einen weiteren Sättigungspunkt (-HS). Durch Umkehrung der Richtung von H und Änderung der Größe von H kann man nun auf der Hysteresekurve zwischen den Punkten +HS, +BR,-HC, -HS,-BR,+HC,+HS umlaufen (schwarze Pfeile).

    Abb. 2: Hysteresekurven eines Weichmagneten (links) und eines Hartmagneten (rechts)

    Ferromagnetische Werkstoffe liefern unterschiedliche Hysteresekurven (Abb. 2). Die Hysteresekurven von Weichmagneten sind schmal und durch vergleichsweise kleine Remanenzen sowie Koerzitivfeldstärken gekennzeichnet. Die Hysteresekurven von Hartmagneten sind breit und durch vergleichsweise große Remanenzen sowie Koerzitivfeldstärken gekennzeichnet.

    Bei der Analyse der magnetischen Hysterese stellen sich einige Fragen, die nachfolgend beantwortet werden sollen:
    • Warum wird zunächst die Neukurve durchlaufen und später nur noch die Hysteresekurve?
    • Wie ist das Sättigungsverhalten zu erklären?
    • Wieso umschließt die Hysteresekurve eine Fläche und welche physikalische Bedeutung hat diese Fläche?
    • Warum haben Ferromagnete einmal schmale Hysteresekurven (kleine umschlossene Flächen) und ein anderes Mal breite Hysteresekurven (große umschlossene Flächen)?

    Physikalische Grundlagen der magnetischen Hysterese

    Ferromagnetische Werkstoffe zeichnen sich durch ein kollektives Verhalten der Atome aus – die magnetischen Momente vieler tausender Atome sind in dieselbe Richtung orientiert und bilden so einen winzigen Dauermagneten. Diese Bereiche gleicher Orientierung der magnetischen Momente nennen wir Weißsche Bezirke. Die Weißschen Bezirke eines unmagnetischen Ferromagneten sind in alle beliebigen Richtungen orientiert und heben sich dadurch in ihrer magnetischen Wirkung auf. Der Werkstoff ist folglich zwar ferromagnetisch, aber kein Dauermagnet. Die magnetische Flussdichte B beschreibt etwas vereinfacht gesprochen das Verhalten der Weißschen Bezirke unter dem Einfluss eines äußeren Magnetfeldes H.

    In Abb. 3 ist schematisch ein Werkstoff mit vier Weißschen Bezirken dargestellt. Die sechs Teilbilder der Abb. 3 werden nachfolgend erläutert:
    1. Anfangs sind die magnetischen Momente in alle Richtungen orientiert und heben sich dadurch in ihrer magnetischen Wirkung gegenseitig auf – der Ferromagnet ist nach außen unmagnetisch.
    2. Nun wird ein äußeres Magnetfeld H angelegt und die magnetischen Momente beginnen sich nach dem äußeren Feld auszurichten – ebenso, wie es ein Kompass tun würde.
    3. Je stärker das äußere Magnetfeld H wird, desto mehr werden die magnetischen Momente in seine Richtung gezwungen. Das kennzeichnet den Verlauf der Neukurve.
    4. Schließlich sind alle magnetischen Momente mehr oder weniger perfekt in Richtung des Feldes H ausgerichtet. Eine weitere Verstärkung des Feldes H ändert nichts mehr an dieser Ausrichtung – das kennzeichnet die Sättigung.
    5. Drehen wir das Feld um, so folgen auch die Weißschen Bezirke. Es wird klar, dass eine einfache Umkehrung des Feldes H niemals dazu führen kann, dass wir wieder einen Zustand wie in Abb. 3, Teilbild 1erhalten (vier unterschiedliche Richtungen der magnetischen Momente in einem äußeren Feld mit einer festen Orientierung, das geht nicht). Es ist also schlichtweg nicht möglich, dass bei Feldumkehr auf der Neukurve zurückgelaufen wird.
    6. Ist das Feld nur stark genug, so erreichen wir Sättigung mit umgekehrter Feldorientierung

    Abb. 3: Ausrichtung der Weißschen Bezirke in einem äußeren Magnetfeld H

    Allerdings folgen die Weißschen Bezirke und damit auch die magnetische Flussdichte B dem äußeren Feld H nicht sofort, sondern mit einer zeitlichen Verzögerung. Das liegt daran, dass sich die magnetischen Momente im Werkstoff nur dann drehen (und zum Teil auch verschieben) können, wenn es ihnen gelingt, innere Widerstände (z.B. Kristallbaufehler) zu überwinden. Um diese inneren Widerstände zu überwinden, müssen sie zunächst Energie „sammeln“ – das braucht Zeit und erklärt die zeitliche Verzögerung (Hysterese) zwischen H und B. Je mehr und je größere innere Widerstände vorhanden sind, desto mehr Energie muss gesammelt werden und desto größer ist die zeitliche Verzögerung zwischen H und B.

    Findet sich die Energiemenge, die für das Drehen der Weißschen Bezirke notwendig ist, in unserer Hysteresekurve wieder? Ja, das ist nichts anderes als die Fläche, die durch die Hysteresekurve umschlossen wird. Die breiten Hysteresekurven von Hartmagneten mit einer relativ großen umschlossenen Fläche können wir also wie folgt erklären:
    • Warum heißt ein Hartmagnet „Hartmagnet“? Weil er hart ist.
    • Welche Stähle sind hart? Z.B. solche mit einem hohen Kohlenstoffgehalt.
    • Was macht der Kohlenstoff (ob als einzelnes Atom oder in Form von Karbiden) noch, außer den Werkstoff hart machen? Er behindert die magnetischen Momente am Umorientieren.

    Hartmagnete haben also deshalb eine breite Hysteresekurve, weil dieselben Prozesse, die den Werkstoff hart machen, die Drehung der magnetischen Momente behindern. Das macht es erforderlich, zunächst Energie für den Drehprozess zu sammeln, was seine Zeit braucht (Verzögerung). Die Fläche, die die Hysteresekurve umschließt, ist ein Maß für die Energie, die für diese Umorientierung benötigt wird. Weichmagnete (z.B. Stähle mit wenig Kohlenstoff) setzen der Umorientierung einen geringen Widerstand entgegen, folglich haben sie eine schmale Hysteresekurve.

    Die Breite der Hysteresekurve und die Größe der Verzögerung zwischen Feldstärke H und Flussdichte B haben also etwas damit zu tun, wie viel Energie zur Verfügung gestellt werden muss, um die inneren Widerstände zu überwinden. Ist genügend Energie vorhanden, dann erfolgen die Drehungen der Weißschen Bezirke und damit die Änderung der magnetischen Flussdichte B sehr schnell. Diese schnelle Änderung ist auch der Grund für die etwas „viereckige“ Form der Hysteresekurve – das wird im zweiten Teil dieses Blogbeitrages genauer betrachtet.

    Der ganze Prozess des Drehens der magnetischen Momente der Weißschen Bezirke ist vergleichbar mit dem Verhalten eines Gewichtes, das man auf einen Teppich legt, ein Gummiseil daran befestigt und dann am Seil zieht. Zunächst passiert … nichts – selbst wenn das Gummiseil bereits gespannt ist. Im Gummiseil muss zunächst genug Energie gespeichert werden, um die Haftreibung zwischen Teppich und Gewicht zu überwinden. Das Gewicht folgt also dem „Kommando“ des Gummiseiles mit zeitlicher Verzögerung. Je rauer der Teppich, desto mehr Energie muss gesammelt werden, und desto größer ist folglich die zeitliche Verzögerung. Ist genügend Energie gesammelt, beginnt das Gewicht sich zu bewegen – aber nicht langsam und allmählich, sondern schnell.

    Werkstoffe mit schmalen Hysteresekurven – also Weichmagnete – finden dort technische Anwendung, wo beim Ummagnetisieren möglichst wenig Energie durch das Drehen (bzw. Verschieben) der Weißschen Bezirke verloren gehen soll. Ein Beispiel ist der Kern eines Transformators, der Primär- und Sekundärspule miteinander „verbindet“.

    Werkstoffe mit breiten Hysteresekurven – also Hartmagnete – finden dort technische Anwendung, wo der Werkstoff sich möglichst schwer ummagnetisieren lassen soll. Ein Beispiel ist der Dauermagnet – der soll seiner Ummagnetisierung/Entmagnetisierung einen großen Widerstand entgegen setzen (er soll ja ein Dauermagnet bleiben).

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  • 28. Dezember 2011

    Was sind eigentlich … Korngrenzen?

    Im Alltag begegnen uns Korngrenzen überraschend oft: Jeder hat sicherlich schon einmal ein verzinktes Treppengeländer oder einen verzinkten Laternenmast gesehen. Was kann man dabei beobachten? Verzinkte Stahloberflächen zeichnen sich durch besondere, flächige Strukturen aus, die je nach Lichteinfall und Beobachtungswinkel hell oder dunkel mit eher unregelmäßigen Rändern erscheinen. Diese Flächen, in denen kein weiterer Kontrast, Helligkeits- oder Farbunterschied zu erkennen ist, nennt der Werkstofftechniker Korn, bzw wenn es um die Abgrenung geht, von den Korngrenzen.

    Bild: Korngrenzen an einem Treppengeländer aus Metall

    Korngrenzen an einem Treppengeländer aus Metall

    Die Flächen haben natürlich im Werkstoff auch eine räumliche Ausdehnung, somit sind Körner selbst räumliche Gebilde mit einem bestimmten Volumen, die beim Blick auf die Werkstoffoberfläche dann als Fläche, mit eben entsprechenden Grenzen = „Korngrenzen“ erscheinen.

    Körner gibt es fast in jedem metallischen Werkstoff, meist sieht man sie jedoch nicht. Sie können durch spezielle Oberflächenbehandlungen wie zum Beispiel Anätzen mit Säuren im Mikroskop oder sogar mit dem bloßen Auge (wie im Fall des verzinkten Stahls) sichtbar gemacht werden. Halten wir fest: Körner in einem Metall sind räumliche Gebilde, die bei Betrachtung mit Licht zunächst homogen erscheinen. Die Begrenzungsflächen der Körner, also die Fläche zwischen zwei Körnern, heißen Korngrenzen. An der Oberfläche unserer verzinkten Laterne erscheinen die Korngrenzen dann als Begrenzungslinien zwischen den flächigen Körnern.

    Die meisten metallischen Werkstoffe enthalten Korngrenzen. Um zu verstehen was Korngrenzen sind, wenden wir uns der Frage zu: wo kommen die Körner eigentlich her?
    Ausgangspunkt ist die Erstarrung von Metallen, also die Bildung eines Festkörpers aus der Metallschmelze. Dazu betrachten wir die einzelnen Metallatome in der Schmelze. Wie in Flüssigkeiten können sich diese Atome relativ frei bewegen, je höher die Temperatur desto größer die Beweglichkeit der Atome. Nun kühlen wir die Schmelze ab, die Bewegung der Atome nimmt ebenfalls ab, die Atome rücken näher zusammen.

    Bei Erreichen der Erstarrungstemperatur kommen sich einzelne Atome bereits so nahe, dass die chemischen Bindungskräfte wirken können, um einen festen Zusammenhalt zwischen den Atomen einzustellen. Die Atome ordnen sich in einem Kristallgitter auf fest vorgegebenen Plätzen an. Dabei ist das entstehende Kristallgitter für jedes Metall charakteristisch. Die kleinste Baueinheit eines solchen Kristallgitters heißt Elementarzelle und kann beliebig im Raum angeordnet, man sagt auch „orientiert“, sein.

    In der abkühlenden Schmelze bilden sich am Erstarrungspunkt an verschiedenen Stellen in der Schmelze Ansammlungen von Elementarzellen, sogenannte feste Keime. Diese Keime haben die räumliche Orientierung der Elementarzellen aus denen sie aufgebaut sind, d.h. ein Keim besteht aus mehreren Elementarzellen mit exakt gleicher Orientierung. Dadurch, dass sich die Keime an unterschiedlichen Stellen in der Schmelze bilden, wird auch ihre Orientierung sehr wahrscheinlich unterschiedlich sein. Im Laufe der weiteren Erstarrung lagern sich immer mehr Atome aus der Schmelze an den Keimen an, dabei müssen sich die hinzukommenden Atome an die räumliche Orientierung der Keime halten.

    Am Ende der Erstarrung haben alle Atome aus der Schmelze einen Platz im Festkörper gefunden. Die Keime sind so groß geworden, dass sie das gesamte Volumen ausfüllen. Dort, wo Keime mit unterschiedlicher Orientierung zusammenstoßen, bildet sich eine Korngrenze – die Keime sind dann die bereits erwähnten Körner. Somit entstehen Korngrenzen eigentlich immer bei der Erstarrung metallischer Werkstoffe. Sie trennen stets Bereiche im Kristall mit unterschiedlicher Orientierung.

    Warum interessieren uns Korngrenzen überhaupt? 
    Zunächst einmal gehören Korngrenzen zu den Gitterfehlern, die in einem metallischen Werkstoff fast immer anzutreffen sind. Die meisten technologisch wichtigen Eigenschaften eines metallischen Werkstoffs sind durch das Vorhandensein von Gitterfehlern begründet. Korngrenzen haben nun großen Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften: Je mehr Korngrenzen vorhanden sind, desto mehr Körner gibt es im Metall, die Größe der einzelnen Körner ist in diesem Fall gering. In der Regel findet man in solchen feinkörnigen Werkstoffen auch eher regelmäßig geformte Körner. Der Werkstoff zeichnet sich durch gute Festigkeit in Kombination mit guter Zähigkeit aus, zwei Eigenschaften, die für gewöhnlich eher gegenläufig wirken. Man ist daher häufig bestrebt, Werkstoffe mit kleinen Körnern, also mit vielen Korngrenzen, herzustellen. Wie kann man das schaffen? Wir haben festgestellt, dass Körner und Korngrenzen während der Erstarrung entstehen. Man muss nun viele Keime gleichzeitig in der Schmelze erzeugen und wachsen lassen, dann erhält man am Ende der Erstarrung auch viele Körner. Das kann man z.B. erreichen, indem man die Schmelze impft, also gezielt Keimstellen, sogenannte Keimbildner, einbringt, an denen Keime entstehen können.

    Aber Korngrenzen beeinflussen die Eigenschaften des Werkstoffs nicht bloß durch ihre Anwesenheit. Eine herausragende Eigenschaft von Korngrenzen ist ihre Fähigkeit, sich unter bestimmten Bedingungen zu bewegen. Was heißt nun unter bestimmten Bedingungen? Zur Bewegung von Korngrenzen braucht man im Wesentlichen zwei Dinge: ausreichend hohe Temperaturen (je höher die Temperatur, desto größer die Beweglichkeit der Korngrenzen) sowie eine treibende Kraft, die die Korngrenzenbewegung aktiviert. Das kann zum Beispiel ein Ungleichgewicht im Werkstoff, hervorgerufen durch eine Verformung, sein. Oder aber die Tendenz gekrümmter Korngrenzen, sich zu begradigen. Wenn sich Korngrenzen bewegen, verändern sie damit die Struktur des Werkstoffs und auch dessen Eigenschaften.

    Aus diesem Grund ist man daran interessiert herauszufinden, wie sich Korngrenzen bewegen und wie man diese Bewegung nutzen kann, um bestimmte Werkstoffeigenschaften zu erhalten. So bestimmt die Bewegung von Korngrenzen ganz maßgeblich das Ergebnis von vielen Wärmebehandlungsverfahren – beispielsweise das Normalisieren, die Rekristallisation und das Grobkornglühen.

    Weiterführende Informationen: Den Korngrenzen Beitrag auf Wikipedia

    Falls Sie sich für das Thema Korngrenzen interessieren und gern eine Weiterbildung / Qualifizierung beziehungsweise eine Fortbildung / Mitarbeiterschulung im Bereich Werkstofftechnik / Metallographie machen möchten, helfen Ihnen die Ansprechpartner des WS TrainingCenters gern weiter oder Sie schauen einfach kurz auf unseren Kurs- und Seminarseiten vorbei.

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  • 19. Dezember 2011

    Was ist eigentlich … Rekristallisation?

    Rekristallisation beschreibt in der Metallkunde den Abbau von Gitterfehlern durch Neubildung des Gefüges aufgrund von Keimbildung und Kornwachstum. Was bedeutet das? Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass ein metallischer Werkstoff, wenn man ihn bei Raumtemperatur verformt, z.B. durch wiederholtes Hin-und-her-Biegen, fester wird. Wir sagen: der Werkstoff verfestigt. Da Raumtemperatur, verglichen mit sonst üblichen Temperaturen, bei der Metallverarbeitung eher kalt ist, sprechen wir auch von Kaltverfestigung. Was passiert nun bei der Kaltverfestigung? Die Verformung metallischer Werkstoffe ist ganz wesentlich von Versetzungen abhängig. Das sind Fehler im Kristallaufbau, die durch ihre Bewegung jede beliebige makroskopische Formänderung des Werkstoffs erzeugen können. Wird nun die Bewegung der Versetzungen behindert, kann sich der Werkstoff nicht mehr weiter verformen, er wird zunehmend fester. Wie können wir die Bewegung von Versetzungen behindern? Ganz einfach, indem wir immer mehr Versetzungen in den Werkstoff hineinpacken. Dann kommt es zum Stau, wie auf der Autobahn. Unser kaltverfestigter Werkstoff enthält also ziemlich viele Versetzungen, die sich alle gegenseitig daran hindern, durch den Werkstoff zu laufen.

    Was ist nun, wenn wir aber den Werkstoff weiter verformen wollen? Dann müssen wir zuerst einen ganzen Teil der Versetzungen loswerden, damit sich die anderen wieder ungehindert bewegen können. Jetzt kommt die Rekristallisation ins Spiel. Wir schauen uns noch einmal den ersten Satz an: „Rekristallisation beschreibt in der Metallkunde den Abbau von Gitterfehlern …“. „Abbau von Gitterfehlern“ bezieht sich also hauptsächlich auf den Abbau der hinderlichen Versetzungen. Wie werden die Versetzungen abgebaut? Durch Keimbildung und Kornwachstum. Im verformten Werkstoff werden also neue Körner gebildet, deren Wachstum die störenden Versetzungen beseitigt. Das ist ganz ähnlich dem Erstarrungsvorgang, bei dem in der Schmelze Keime gebildet werden, die dann wachsen und schließlich den Festkörper ergeben. Unterschied ist allerdings, dass der Werkstoff während des ganzen Vorgangs der Rekristallisation fest bleibt.

    Rekristallisation erfolgt bei einer Rekristallisationsglühung, d.h. in der Regel bei höheren Temperaturen. Bei Stählen liegen z.B. Rekristallisationstemperaturen zwischen 600°C und 700°C vor. Es bilden sich neue Körner im Werkstoff, die von Korngrenzen umgeben sind. Die Bewegung der Korngrenzen sorgt dafür, dass die neugebildeten Körner wachsen. Bei dieser Korngrenzenbewegung werden die hinderlichen Versetzungen durch die Korngrenzen aufgesammelt, so ähnlich wie der Schmutz beim Staubsaugen. Hinter den Korngrenzen, d.h. innerhalb der neugebildeten Körner gibt es dann nur noch wenige, aber wieder bewegliche Versetzungen. Diesen Vorgang kann man gut beobachten, indem man z.B. die Härte im Verlauf der Rekristallisation bestimmt. Die Härte ist ein gutes Maß für die Zahl der hinderlichen Versetzungen. Nimmt die Härte ab, bedeutet das, dass auch die Zahl der Versetzungen abnimmt.

    Rekristallisation Grafik
    Die erste Abbildung zeigt einen typischen Härteverlauf während der Rekristallisation. Am Anfang passiert erst einmal gar nichts – das ist die sogenannte Inkubationszeit. In dieser Zeit müssen zunächst neue Körner gebildet werden. Sobald diese wachsen, sinkt die Härte, da mit dem Wachsen der Körner eine Abnahme der Zahl der Gitterfehler verbunden ist.

    In der zweiten Abbildung ist der Ablauf der Rekristallisation veranschaulicht. Das erste Bild (t=0min) zeigt den Werkstoff nach der Kaltverformung, in diesem Fall nach dem Kaltwalzen. Man kann gut die durch das Walzen langgestreckten Körner erkennen. Nach drei Minuten Glühung zeigt sich bereits ein neues Korn im Werkstoff. Man erkennt, dass innerhalb dieses neuen Korns kaum weitere Strukturen, die auf Gitterfehler hindeuten, zu erkennen sind. Die neugebildeten Körner sind stets ziemlich fehlerfrei. Im weiteren Verlauf der Glühung erscheinen zunächst immer weitere Körner. Außerdem können die bereits vorhandenen neuen Körner wachsen.

    Nach 3,5 Minuten schließlich ist fast die gesamte Struktur des Walzens verschwunden, die neu gebildeten Körner sind nun so groß, dass sie zusammenstoßen. An diesem Punkt ist die Rekristallisation beendet. Weiteres Glühen bewirkt nun ein weiteres Wachstum der Körner, wie im letzten Bild zu erkennen ist. Das ist in der Regel unerwünscht. Man möchte das Ende der Rekristallisation möglichst gut abpassen, damit man einen Werkstoff mit kleinen, ähnlich großen Körnern erhält. Werkstoffe mit feinkörnigen Strukturen zeichnen sich nämlich durch besonders gute Eigenschaften aus.

    rekristallisation

    Mit Hilfe der Rekristallisation ist man demnach in der Lage, die Struktur eines Werkstoffs zu beeinflussen, die Zahl der Gitterfehler zu reduzieren und die Größe der Körner zu verändern. Das ist immer dann interessant, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, die Korngröße zu beeinflussen, z.B. in umwandlungsfreien Stählen. Bei Stählen, die Umwandlungen durchlaufen, lässt sich die Korngröße ebenfalls durch das Normalisierungsglühen, auch Normalglühen genannt, verändern.

    Voraussetzung für die Rekristallisation ist aber, dass eine bestimmte Menge an Gitterfehlern im Werkstoff vorhanden ist. Die Rekristallisationstemperatur (Temperatur, die bei der Rekristallisation stattfindet) steigt mit abnehmender Zahl an Gitterfehlern. Daher gibt es eine kritische Gitterfehlerzahl, unterhalb derer keine Rekristallisation mehr stattfinden kann. Technisch betrachtet man aber nicht die Zahl der Gitterfehler, sondern die Größe der Verformung – den sogenannten Umformgrad, da sich dieser leichter ermitteln lässt als die Zahl der Gitterfehler. Unterhalb eines kritischen Umformgrades (ca. 5%) findet keine Rekristallisation mehr statt.

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  • 15. Dezember 2011

    Apps für die Weiterbildung in der Werkstofftechnik

    Apps für die Weiterbildung in der Werkstofftechnik
    Smartphones sind heute keine Seltenheit mehr und deshalb so erfolgreich, weil diese kleinen Programme einem das Leben erleichtern. Die Straßen-Navigation per Handy versetzt heute niemanden mehr in Erstaunen, und viele Programme, für die früher die Rechenpower eines PCs nötig war, finden sich heute auf den Mobilgeräten wieder. Neben den Unterhaltungsprogrammen gibt es auch eine ganze Reihe Apps, die einem die Arbeit erleichtern sollen. Daher habe ich mich gefragt: Welche Apps unterstützen den Werkstofftechniker oder Materialprüfer – speziell im Rahmen der Weiterbildung?! Ich selbst habe eine ganze Reihe von Apps auf meinem iPad und meinem Android Handy, kann also aus dem Vollen = dem Apple App Store und dem Android Market schöpfen und möchte einige Apps vorstellen:Da sind zum einen die Klassiker: das Periodensystem der Elemente (PSE). Nützlich bei der Spektrometrie. Möchte man irgendetwas über ein chemisches Element wissen, so zum Beispiel die Nachweisfähigkeit oder die chemischen Eigenschaften, so macht man mit den meisten PSE Apps nichts falsch. Ich benutze die Merck PSE App, denn die bietet praktischerweise zusätzlich noch einen Molmasserechner. Zudem bietet sie noch eine Menge weiterer „Spielereien“, wie Informationen über die Entdecker und die Geschichte des jeweiligen Elements, dazu noch Bilder und eine wirklich gute Kategorisierungs- und Suchfunktion. Bei alledem noch eine sehr „fluffige“ und spielerische Bedienung, dank der es Spaß macht, auch außerhalb der Arbeitszeit reinzuschauen. Damit ist die Merck PSE App eine der besten auf ihrem Gebiet und dazu noch kostenlos. Gibt es sowohl für Apple- als auch Android-Geräte.Ähnlich komfortabel in der Bedienung und auch optisch ein Highlight: der Stahlberater von Abrams. Leider nur für die vom Unternehmen angebotenen Stähle. Aber man erfährt so Manches über deren Eigenschaften, wie zum Beispiel die Korrosionsbeständigkeit, Zugfestigkeit oder die Zusammensetzung. Vorhanden im AppStore als auch Android Market.
    Nach demselben Schema funktioniert auch die Klöckner Mobile App. Mit einem Härtevergleich nach Vikers, Brinell und Rockwell ist man hier schnell zur Hand und auch der Material/Rohr-Rechner, sowie der Aluminium-Rechner sind nützliche Inhalte dieser App. Optisch nicht ganz so spannend, aber dafür kostenlos und informativ. Diese App gibt es sowohl für Apple als auch für Android Market. Das sind zwei Apps, die man für die Werkstoffkunde ganz gut gebrauchen kann.

    Eine ganz witzige Spielerei sind die verschiedenen Metall-Detektoren, die es am Markt so gibt. Ich habe die AppMetaldetektor von Smart Tools im Gebrauch. Die zeigt zwar nur an, dass irgendwo Metall ist, aber es gab schon in einigen Situationen erstaunte Gesichter, wenn man auf einer Baustelle mit dem Handy eine „Goldader“ gefunden hat. Gibt es im Android Market – Vergleichbares auch im App Store allerdings nur für iPhone, Besitzer eines iPads müssen 0,79€ zahlen.

    Eine meiner persönlichen Favoriten: Die App AK MiniLabor 11. Eine App, die sich auf sehr unterhaltsame Weise dem Periodensystem der Elemente und einer gewissen Basis-Chemie nähert. Mit einigen Geschicklichkeits- und Wissensspielen werden hier die Grundlagen in dem Bereich vermittelt. Diese App deckt das nötige Spektro-Wissen vollkommen ab.

    Eine App die ich bisher nicht ausprobiert habe, weil es mir dazu noch zu wenige aussagekräftige Bewertungen gibt, ist die Katmin Strahlenschutz App … Hat die schon jemand ausprobiert?! Ist sie zuverlässig und genau?

    Welche Apps nutzt Ihr im Berufsalltag?
    Welche Apps könnt ihr empfehlen?
    Ich freue mich auf weitere Hinweise und Empfehlungen.

    Nachtrag vom 03.Mai 2012: 

    Auf einen entsprechenden Wink unseres derzeitigen Bachelor Studenten Sebastian Bogen hin, habe ich mich mal auf die Suche nach den verschiedenen Härtegrad Convertierer/Umrechnergemacht.


    Logos der beiden Härtegrad-Umwandler

    Wie er, bin ich ganz schnell auf den Itamco Hardness Converter gestoßen. Den gibt es sowohl im AppStore als auch im Android Market/Google Play als kostenlose Version. Der ist ganz einfach zu bedienen und ist sehr übersichtlich gestaltet. Allerdings sind die ermittelten Werte mit gebotener Vorsicht zu genießen.
    Einen etwas ausgereifteren Eindruck macht mir allerdings der Trelleborg Konverter, (bisher – leider – nur im Apple Store verfügbar), der neben Währungen und physikalischen Einheiten auch einen speziellen Härtegrad-Umwerter mitbringt. In diesem werden auch die jeweiligen mini- und maximal Werte angegeben, somit scheint schon mal ein gewisses werkstofftechnisches Verständnis bei der Programmierung vorgelegen zu haben.
    Zudem – und das ist ganz wichtig – bietet er die Möglichkeit vor der Berechnung diverse Stahlsorten, zum Beispiel: „Kaltarbeitsstähle“ oder „Vergütungsstähle im gehärteten Zustand“ auszuwählen. Dadurch wird die Umwertung etwas genauer und verlässlicher.

    Beide Apps erfüllen zumindest nach eigenen Angaben den ASTM-E140-07 bzw. ISO-18265 Standard.

    Allerdings – und hiermit kommt das ganz große ABER: Diese Konverter können niemals exakt oder 100prozent genau sein. Denn bei den Umwertungen ist jeweils die verwendete Stahlsorte möglichst genau zu bestimmen und zu berücksichtigen. Und dann gibt es natürlich auch evtl. Fehler und Toleranzen die bereits schon bei der Messung der Werte aufgetreten sind. Demnach sind diese beiden Konverter nur als grobe Hilfsmittel für den Materialprüfer oder Werkstofftechniker zu verstehen und nicht als wirkliches Arbeitsgerät.
    Sich im Arbeitsleben nur auf eine dieser beiden Apps zu verlassen, wäre in etwa vergleichbar, als wolle man mit einem Handy Kompass eine Segelyacht über einen Ozean auf eine wenige Quadratmeter große Insel ansteuern. Diese Apps können also lediglich eine grobe Kontroll-Funktion erfüllen.

    Kennt Ihr noch weitere Apps die für Werkstofftechniker oder Materialprüfer und Prüfwerker relevant sein können, oder welche Erfahrungen habt ihr mit den im www.Werkstoff-Blog.devorgestellten Aps gemacht?!

    Nachtrag vom 25.02. 2013:

    Hallo Thomas,

    eine wirklich gute und vielseitige App Liste,
    vielleicht noch als Ergänzung für den Bereich Ultraschallprüfung interessant:

    Ultrasonic Calc Lite
    In dieser kostenlosen Variante eine sehr gute App für viele grundlegende Kennzahlen der Ultraschallprüfung. Für alle, die häufiger prüfen und eine schnelle Aussage oder Überprüfung Ihres UT Gerätes brauchen, ist diese App genau das Richtige. Auch als Lernunterstützung gut zu gebrauchen, sofern man berücksichtigt, das alle Werte im normalen Toleranzbereich (+/- 50m bei der Schallgeschwindigkeit) zu interpretieren sind.
    Diese kostenlose App gibt es (bisher) nur in englischer Sprache und sie kann das Nahfeld- und die Divergenzwinkel berechnen, gibt Auskunft zu den Ultraschallgrößen verschiedener Materialien (Longitudinalwellengeschwindigkeit, Transversalwellengeschwindigkeit bei den wichtigsten Metallen) und hilft besonders beim Ermitteln des Einschallwinkels bei anderen Materialien als Stahl. Die Schallwege und Schallabstände sind ganz einfach zu ermitteln, was bei der Einstellung von Ultraschallgeräten ganz hilfreich sein kann.
    Bei vielen anderen interessanten Funktionen verweist die App auf allerdings auf die kostenpflichtige Vollversion, die es für 3,90€uro zu kaufen gibt.
    Fazit: Es nicht verkehrt, diesen kleinen kostenlosen Helfer auf seinem Smartphone zu haben.

    Beiden Versionen (kostenlos/kostenpflichtig) sind bisher nur für Androidgeräte verfügbar.
    Anbei Link zur kostenlosen App im Goople Play Shop der Firma Platef

    »TKluth« hat folgende Bilder angehängt:
    • Ipad3a-501.gif
    • kloeckner-stahl2.png
    • abrams1.jpg
    • app-3a-geraete.jpg
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  • 21. November 2011

    Was macht eigentlich … das Legierungselement Chrom im Stahl?

    Chrom ist ein richtiger „Tausendsassa“. Das Legieren mit dem Element Chrom (Cr) hat Auswirkungen auf zahlreiche Stahl Eigenschaften. Durch Erhöhung des Chromgehaltes erreichen wir bei Stählen unter anderem eine:

    1. Erhöhung der Zugfestigkeit,
    2. Erhöhung der Verschleißbeständigkeit,
    3. Erhöhung der Einhärtbarkeit,
    4. Verbesserung der Vergütbarkeit,
    5. Erhöhung der Zunderbeständigkeit,
    6. Erhöhung der Warmfestigkeit und der Anlassbeständigkeit,
    7. Erhöhung der Korrosionsbeständigkeit,
    8. Erhöhung der Randschichthärte beim Nitrieren,
    9. Erhöhung der Druckwasserstoff-Beständigkeit,
    10. Verringerung der Wärmeleitfähigkeit und der elektrischen Leitfähigkeit.

    Angesichts dieser Liste stellen sich folgende Fragen: Warum führt die Zugabe von Chrom zu all diesen Eigenschaftsänderungen bei Stählen? Haben die zahlreichen Wirkungen des Chroms ebenso zahlreiche Ursachen, oder können diese Wirkungen auf einige wenige Eigenschaften des Chroms zurückgeführt werden? Um diese Fragen beantworten zu können, klären wir zunächst, wie ein unlegierter Stahl „funktioniert“.

    Unlegierter Stahl besteht aus Eisen (Fe) und Kohlenstoff (C). Die allermeisten C-Atome verbinden sich mit den Fe-Atomen zu Eisenkarbiden. Form, Größe und Anzahl der harten Eisenkarbide im vergleichsweise weichen Fe-Kristallgitter des Stahls bestimmen seine Eigenschaften (Vergüten). Die harten Eisenkarbide behindern z.B. die Bewegung von Versetzungen und sorgen so für hohe Festigkeit.

    Die harten Eisenkarbide verbessern zudem die Verschleißbeständigkeit des Eisens, das durch Zugabe von (max. 2%) Kohlenstoff zum Stahl wird. Bei hohen Temperaturen verändern die Eisenkarbide ihre Morphologie, und oberhalb von ca. 720°C beginnt ihr vollständiger Zerfall. Das schränkt die Einsatzmöglichkeiten unlegierter Stähle bei hohen Temperaturen stark ein.

    Bild: Chrom im Periodensystem - WS Werkstoff Blog

    Chrom als Element im Periodensystem: Periode 4, Gruppe 6, Element-Nr.: 24

    In Anwesenheit von Sauerstoff bilden die Eisenatome des Stahls mit dem Sauerstoff Oxide. Das Eisenoxid, das bei niedrigen Temperaturen und in Anwesenheit von Feuchtigkeit entsteht, nennen wir Rost. Das Eisenoxid, das sich bei sehr hohen Temperaturen – beispielsweise im Schmiedeofen (und damit in Abwesenheit von Wasser) – bildet, nennen wir Zunder.

    Nun kommen wir zurück zum Chrom. Wir werden sehen, dass sich die vielfältigen Wirkungen des Elements Chroms auf wenige Eigenschaften des Chroms zurückführen lassen, wobei einige Eigenschaften mehrfache Wirkung erzielen:

    • Chrom „kann besser mit Kohlenstoff als Eisen“. Das bedeutet, dass sich Cr- und C-Atome zu Chromkarbiden verbinden, die härter und temperaturbeständiger sind, als die Eisenkarbide. Dies erklärt die oben genannten Punkte 1, 2, 6 und 9. Zum Punkt 9 einige Worte mehr: Ist Stahl bei hohen Temperaturen und Drücken wasserstoffhaltigen Medien ausgesetzt, so dringt Wasserstoff in den Stahl ein und verbindet sich mit dem Kohlenstoff des Stahls z.B. zu Methan. Wird dem Stahl aber auf diese Art der Kohlenstoff entzogen, so verliert er die strukturelle Integrität und versagt schließlich. Druckwasserstoffbeständigkeit erreicht man, wenn der Kohlenstoff im Stahl durch Elemente abgebunden wird, die starke Bindungen mit Kohlenstoff eingehen. Zu diesen Elementen gehört Chrom.
    • Chrom „kann besser mit Sauerstoff als Eisen“. Das bedeutet, dass Chrom und Sauerstoff „widerstandsfähigere“ Verbindungen bilden, als es Eisen und Sauerstoff tun. Dies erklärt die Punkte 5 und 7. Sind mindestens 12% Chrom im Stahl gelöst, dann bildet sich auf der Bauteiloberfläche eine dünne, aber für Sauerstoff nahezu undurchdringliche, Chromoxidschicht, die ein Rosten des Stahls verhindert. Rostfreie Stähle enthalten daher mindestens 12% Chrom. Diese Cr-Atome dürfen aber nicht in Form von Chromkarbiden gebunden sein. Da Chrom aber auch mit Kohlenstoff „gut kann“, sind üblicherweise deutlich mehr als 12% Chrom in nichtrostenden Stählen enthalten, damit 12% „freie“ Cr-Atome verbleiben, nachdem der Kohlenstoff vom Chrom „bedient“ wurde.
    • Chrom „kann sehr gut mit Stickstoff“. Dies erklärt Punkt 8 (und zu Teilen auch die Punkte 2 und 7). Nitrierstähle sind häufig chromlegiert mit dem Ziel, dass die Stickstoffatome, die beim Nitrieren in die Oberfläche des Stahlbauteils hinein diffundieren, sich u.a. mit Chrom verbinden und auf diese Weise sehr harte Chromnitride bilden.
    • Befindet sich Chrom im Stahl, dann behindert es die Bewegung (Diffusion) der C- und Fe-Atome im Fe-Kristallgitter des Stahls. Das geschieht unabhängig davon, ob die Chromatome frei oder gebunden sind. Die Diffusionsprozesse, die bei der Wärmebehandlung von Stahl ablaufen, bestimmen ganz wesentlich das Gefüge und damit die Werkstoffeigenschaften, die im Zuge der Wärmebehandlung entstehen. Wird die Diffusion stark behindert, so entsteht ein Gefüge, für dessen Bildung Diffusion nicht notwendig ist. Dieses Gefüge nennen wir Martensit (Vergüten). Diese Diffusionsbehinderung erklärt die Punkte 1, 2, 3 und 4.
    • Chrom behindert aber nicht nur die Beweglichkeit der Fe- und C-Atome, sondern auch die der freien Elektronen des Stahls. Da die Elektronen der Metalle aber maßgeblich die elektrische Leitfähigkeit und die Wärmeleitfähigkeit bestimmen, ist somit auch Punkt 10 erklärt.

    Wir können zusammenfassen:
    Es ist die hohe Affinität des Chroms zu Kohlenstoff, Sauerstoff und Stickstoff, mit der sich ein Großteil der Eigenschaften chromlegierter Stähle erklären lässt. Will man die Verschleißbeständigkeit und die Warmfestigkeit von Stählen deutlich über das Niveau der chromlegierten Stähle hinaus anheben, so müssen Legierungselemente eingesetzt werden, deren Karbide noch härter und noch temperaturbeständiger sind, als die des Chroms. Wolfram, Vanadium, Molybdän und Kobalt sind solche Elemente, und sie alle kommen in Schnellarbeitsstählen zum Einsatz.

    Was die Behinderung der Diffusion von Elektronen betrifft, so gilt das oben Geschriebene für alle Legierungselemente des Stahls gleichermaßen, und nicht nur für Chrom. Kaffeebecher werden aus diesem Grunde gern aus austenitischem Stahl (ca. 18% Chrom und ca. 10% Nickel) gefertigt – nicht nur, weil dieser Stahl nicht rostet, sondern weil die Wärmeleitfähigkeit dieses hochlegierten Stahls sehr niedrig ist. Dagegen wäre ein Kaffeebecher aus Silber (ebenfalls nichtrostend) einfach gemein …

    Weitere Informationen zum Element Chrom gibt’s auf Wikipedia.

    Wenn Sie mehr zum Thema Chrom im Stahl erfahren möchten, oder sich zu anderen Themen der Werkstofftechnik weiterbilden möchten, empfehlen wir einfach mal einen Blick auf die Kurse des W.S. TrainingCenters zu werfen. Dort finden Sie zu vielen interessanten Themen die passenden Kurse und Seminare, oder fragen Sie unsere TrainingCenter Ansprechpartner direkt.

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  • 14. November 2011

    Fachlich zuständige Stelle für den Industriesektor Eisenbahn

    Die Werkstoff Service GmbH arbeitet seit über einem Jahr als fachlich zuständige Stelle (FzS) für den Sektor Bahn. Dieser Beitrag beschreibt, was eine fachlich zuständige Stelle ist, welche Anforderungen an eine FzS gestellt werden und welche Aufgaben die fachlich zuständige Stelle wahrnimmt.

    Die Arbeit der fachlich zuständigen Stelle basiert im Wesentlichen auf den nachfolgend genannten Normen und Richtlinien. Das Eisenbahnbundesamt (EBA) hat die Norm DIN 27201-7 als anerkannte Regel der Technik für seinen Zuständigkeitsbereich eingeführt. Damit ist diese Norm für alle Fahrzeuge relevant, die auf Strecken fahren, die in den Zuständigkeitsbereich des EBA fallen.

    • DIN 27201-7: „Zustand der Eisenbahnfahrzeuge … Zerstörungsfreie Prüfung“
    • Richtlinie ISB1 der DGZfP : (Deutsche Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung):
      „… Anforderungen an eine fachlich zuständige Stelle nach DIN27201-7“
    • Richtlinie ISB2 der DGZfP: „…Verfahrensanweisung zur Anerkennung einer ZfP-Prüfstelle für die Durchführung Zerstörungsfreier Prüfungen nach DIN 27201-7“
    Ultraschallprüfung an einem Eisenbahnrad

    Die DIN 27201-7 verlangt die Beteiligung einer fachlich zuständigen Stelle, wenn in Werkstätten zerstörungsfreie Prüfungen (ZfP) bei der Instandhaltung von sicherheitsrelevanten Komponenten von Eisenbahnfahrzeugen notwendig sind. Solche sicherheitsrelevanten Komponenten sind z.B. die Radsätze der Fahrzeuge. Die Aufgabe der FzS ist es u.a., die Qualifikation der Werkstätten für die Durchführung zerstörungsfreier Prüfungen zu begutachten und nach erfolgreicher Begutachtung eine Anerkennung auszusprechen.

    Hinsichtlich der Anerkennung der fachlich zuständigen Stelle verweist die DIN 27201-7 auf den Fachausschuss Eisenbahn (FA Bahn) der DGZfP. Die DGZfP-Richtlinie ISB1 fordert von einer FzS unter anderem:

    • Unabhängigkeit von der Organisation des Eisenbahnbetriebes und der Instandhaltung
    • Akkreditierung nach EN 17020 (Inspektionsstelle) oder EN 17025 (Prüflabor)
    • ingenieurtechnisches Personal mit Stufe-3-Zertifizierung in der ZfP und im Industriesektor Eisenbahn
    • langjährige praktische Erfahrung dieses Personals in der Eisenbahninstandhaltung
    • eine Mindestausstattung an Prüftechnik für alle relevanten ZfP-Prüfverfahren

    Farbeindringprüfung an einer Schweißnaht

    Die Anerkennung einer fachlich zuständigen Stelle erfolgt durch die DGZfP mit ihrem FA Bahn in Zusammenarbeit mit dem EBA. Der Anerkennungsprozess verläuft in mehreren Etappen:

    • Antragstellung beim FA Bahn der DGZfP
    • Benennung eines Auditteams durch den Fachausschuss Bahn
    • Audit bei der beantragenden Stelle
    • Bericht des Auditteams vor dem FA Bahn
    • Entscheidung über die Anerkennung durch den FA Bahn

    Die DGZfP-Richtlinie ISB1 beschreibt zudem die Aufgaben einer fachlich zuständigen Stelle – dazu gehören u.a. die:

    • Anerkennung von Werkstätten, die ZfP im Rahmen der Instandhaltung durchführen
    • Anerkennung und Freigabe von ZfP-Verfahren und ZfP-Prüftechniken
    • Erstellung und Freigabe von ZfP-Prüfanweisungen
    • Durchführung von Schadensuntersuchungen
    • Freigabe und Anerkennung bahnspezifischer Vergleichskörper
    • Gestaltung der Lehrinhalte für die Ausbildung von Prüfpersonal im Industriesektor Bahn

    Magnetpulverprüfung an einem Eisenbahnrad

    Das Anerkennungsverfahren der ZfP-Prüfprozesse einer Werkstatt durch eine fachlich zuständige Stelle regelt die DGZfP-Richtlinie ISB2. Das Verfahren verläuft vereinfacht dargestellt wie folgt:

    1. Anfrage der Werkstatt und Angebotserstellung durch die fachlich zuständige Stelle auf der Basis der für die Auditvorbereitung relevanten Informationen (Standorte, eingesetzte Prüfverfahren, geprüfte Fahrzeugkomponenten, eingesetztes ZfP-Personal, …)
    2. Auditierung der Werkstatt durch die FzS mit den Schwerpunkten ZfP-Dokumente, technische Ausstattung, ZfP-Personal, Durchführung der Prüfungen und praktische Fertigkeiten der Prüfer
    3. Ausstellung der Anerkennungsurkunde – ggf. nach Erfüllung notwendiger Korrekturmaßnahmen
    4. Veröffentlichung der Anerkennung im Online-Register der DGZfP
    5. Aufrechterhaltung der zeitlich befristeten Anerkennung durch entsprechende Audits der fachlich zuständigen Stelle in der Werkstatt

    Die Norm DIN 27201-7 gilt grundsätzlich für alle instandgehaltenen Fahrzeuge, die auf Strecken im Zuständigkeitsbereich des EBA fahren. Aus diesem Grund waren und sind die Mitarbeiter der fachlich zuständigen Stelle der Werkstoff Service GmbH europaweit unterwegs, um die ZfP-Prozesse von Instandhaltungswerkstätten zu überprüfen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden Gegenstand eines weiteren Beitrages sein.

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  • 8. November 2011

    Wie funktioniert eigentlich … Fluoreszenz?

    Die Fluoreszenz von Stoffen kommt in vielen Bereichen der Werkstoffprüfung zum Einsatz, z.B. bei der Magnetpulverprüfung und der Spektralanalyse. Namensgeber des Wortes Fluoreszenz ist das Mineral Fluorit (auch Flussspat oder Calciumfluorid genannt), welches unter UV-Strahlung blau-violett leuchtet. Fluoreszenz bedeutet physikalisch, einen Stoff durch Strahlung zum Strahlen anzuregen.

    Wie Fluoreszenz technisch angewendet wird, soll am Beispiel der Oberflächenrissprüfung eines Bauteils mit fluoreszierenden Prüfmitteln erklärt werden. Dazu betrachten wir im ersten Bild das sichtbare Spektrum der Sonne. Das abgebildete Spektrum beinhaltet Absorptionseffekte der Atmosphäre und der Wolken – das erklärt den etwas „unsteten“ Verlauf und die tiefen Einschnitte. Wichtig für uns sind die folgenden Punkte:

    • Das menschliche Auge kann elektromagnetische Strahlung mit Wellenlängen im Bereich von ca. 400 nm (violettes Licht) bis ca. 700 nm (rotes Licht) wahrnehmen. Diese Strahlung nennen wir Licht.
    • Die Strahlungsenergie nimmt mit zunehmender Wellenlänge ab. Violettes Licht ist energiereicher als rotes Licht.
    • Sonnenlicht hat seine höchste Intensität bei einer Wellenlänge von etwa 550 nm. Diese entspricht gelb-grünem Licht, welches sich etwa in der Mitte des für uns sichtbaren Spektrums befindet.
    • Das menschliche Auge hat sich im Laufe der Evolution auf das Spektrum der Sonne eingestellt. Mit anderen Worten: Unser Auge ist da am leistungsfähigsten, wo es das meiste Licht (hohe Intensität) angeboten bekommt. Deshalb kann unser Auge gelb-grünes Licht besonders gut wahrnehmen.

    Das nächste Bild zeigt das Spektrum einer UV-Leuchte, wie sie bei der Rissprüfung mit fluoreszierenden Prüfmitteln verwendet wird. Die folgenden Punkte sind für uns wichtig:

    • Ein relativ schmaler Peak befindet sich jenseits des violetten Lichtes. Dieser Peak kennzeichnet die von der UV-Leuchte abgegebene ultraviolette Strahlung.
    • Den anderen und recht breiten Peak findet man jenseits des roten Lichtes. Dieser Peak kennzeichnet die von der UV-Leuchte abgegebene infrarote Strahlung (Wärmestrahlung).
    • Die Intensität der von der UV-Leuchte abgegebenen Strahlung ist im Bereich 400 nm bis 700 nm nahezu null. In anderen Worten: Die UV-Leuchte gibt praktisch kein sichtbares Licht ab. Aus diesem Grunde nennt man UV-Leuchten umgangssprachlich auch „Schwarzlichtlampen“.

    Nun kommen wir zurück zur Rissprüfung eines Bauteils. Die verfolgt das Ziel, auch kleinste Fehler mit hoher Empfindlichkeit nachzuweisen. Zunächst müssen wir dafür sorgen, dass sich Prüfmittel im Bereich der Risse ansammelt (siehe Beitrag Magnetpulverprüfung ). Für den Nachweis des Prüfmittels an diesen Bereichen werden Kontrastunterschiede genutzt:

    • Farbkontraste – z.B. rotes Prüfmittel auf weißem Grund,
    • Helligkeitskontraste – leuchtendes Prüfmittel auf dunklem Grund

    Mit Helligkeitskontrasten arbeitet man, wenn man besonders hohe Nachweisempfindlichkeiten erreichen will. Würden wir aber ein reflektierendes Prüfmittel einfach mit Licht anstrahlen, dann würden wir natürlich auch die Bauteiloberfläche anstrahlen und wir hätten „leuchtendes Prüfmittel auf leuchtendem Grund“. Das produziert also keinen Kontrast.

    Stattdessen gehen wir wie folgt vor: Das Prüfmittel wird mit einer fluoreszierenden Substanz versehen. Bei Eindringprüfmitteln ist diese Substanz im Eindringmittel gelöst, bei Magnetpulverprüfmitteln sind die Magnetpulverteilchen mit einer fluoreszierenden Substanz beschichtet. Wird diese Substanz einer ultravioletten Strahlung ausgesetzt, so werden in dieser Substanz Elektronen angeregt, die beim „Abregen“ eine andere Strahlung – nämlich Licht – aussenden (siehe Beitrag Spektrometrie ).

    Jetzt haben wir alle Fakten zusammen, um die Bedeutung der Fluoreszenz für die Rissprüfung zu erklären und betrachten dazu das dritte Bild:

    • Wir nutzen ein Prüfmittel mit einer fluoreszierenden Substanz. Wird diese Substanz angeregt, dann sendet sie Licht aus. Was für Licht sollte das sein? Natürlich Licht, das wir besonders gut wahrnehmen können: Gelb-grünes Licht mit einer Wellenlänge von ca. 550 nm.
    • Wir bestrahlen die Bauteiloberfläche mit ultravioletter Strahlung, und das aus zwei Gründen:
      • Wir benötigen eine Strahlung, deren Energie mindestens der Energie des gelb-grünen Lichtes entspricht, um das fluoreszierende Prüfmittel anregen zu können. UV-Strahlung hat sogar deutlich mehr Energie als gelb-grünes Licht.
      • Wir benötigen für den Hell-Dunkel-Kontrast eine „Anregungs-Strahlung“, die unser Auge nicht wahrnehmen kann (Stichwort Schwarzlichtlampe).
    • Unter Wirkung der UV-Strahlung beginnt das Prüfmittel zu leuchten. Da wo ein Riss ist, hat sich Prüfmittel gesammelt und da wo kein Riss ist, ist auch kein Prüfmittel. Folglich finden wir eine leuchtende Anzeige auf dunklem Grund vor.

    Der intensitätsstarke und breite Peak im infraroten Bereich des Spektrums der UV-Leuchte spielt für die Fluoreszenz keine Rolle: Die Leuchte produziert im infraroten Bereich zwar sehr viele Strahlungsteilchen (hohe Intensität), aber deren Energie ist zu gering, um die fluoreszierende Substanz anzuregen. Dazu eine Analogie aus dem Alltagsleben: Soll ein Geschoss eine Glasscheibe durchschlagen, so kommt es allein auf die Energie des Geschosses an. Mit Tischtennisbällen funktioniert das nicht, selbst wenn man Tausende davon wirft. Ein einziger Stein aber kann ausreichen.

    Wie funktioniert die Fluoreszenz bei der Röntgenfluoreszenzanalyse mit einem RFA-Spektrometer? Nun, zunächst erzeugt dieses Gerät Röntgenstrahlen mit Hilfe einer Miniatur-Röntgenröhre. Das Spektrum dieser Röntgenstrahlung ist vergleichbar mit dem der Sonne (Bild 1), hat aber viel höhere Energien. Diese Röntgenstrahlen treffen auf die zu analysierende Probe und regen dort Elektronen an, die beim „Abregen“ Strahlung aussenden – und zwar Röntgenstrahlung.

    Und ab hier könnte man im Beitrag Spektrometrie weiterlesen …

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  • 2. November 2011

    Wie funktioniert eigentlich Magnetpulverprüfung?

    Die Magnetpulverprüfung ist wie alle zerstörungsfreien Prüfverfahren die praktische Anwendung eines physikalischen Effektes bzw. einer physikalischen Eigenschaft. In unserem Fall heißt die physikalische Eigenschaft Permeabilität. Das Wort Permeabilität bedeutet Durchlässigkeit – und zwar die Durchlässigkeit eines Werkstoffes für magnetische Feldlinien.

    Werkstoffe reagieren unterschiedlich auf Magnetfelder. Im folgenden Bild befinden sich Bauteile (Würfel) in einem Magnetfeld H. Dadurch wird im Bauteil ein Magnetfeld B (die magnetische Flussdichte) erzeugt. Die Physik des Magnetismus ist recht kompliziert, aber vereinfacht kann man sich die Permeabilität als das Verhältnis der Feldlinienanzahl im Inneren des Bauteils (B) zur Anzahl der äußeren Feldlinien (H) vorstellen:

    • Stoffe, die weniger Feldlinien aufnehmen, als außen vorhanden (Bild links), nennen wir Diamagnete. Diamagnete, wie z.B. Kupfer, haben eine sehr kleine Permeabilität.
    • Stoffe, die etwas mehr Feldlinien aufnehmen, als außen vorhanden (Bild Mitte), nennen wir Paramagnete. Paramagnete, wie z.B. Aluminium oder Luft, haben ebenfalls eine sehr kleine Permeabilität.
    • Stoffe, die sehr viel mehr Feldlinien aufnehmen, als außen vorhanden (Bild rechts), nennen wir Ferromagnete. Ferromagnete, wie z.B. Eisen oder Nickel, haben eine sehr große Permeabilität.

    In Ferromagneten führt die hohe Permeabilität dazu, dass äußere Magnetfelder im Werkstoff extrem verstärkt werden. Ferromagnetische Werkstoffe „saugen“ Feldlinien geradezu auf, wie ein trockener Schwamm das Wasser. Das nutzen wir bei der Magnetpulverprüfung ferromagnetischer Werkstoffe. Die Magnetpulverprüfung wird mitunter auch als magnetischer Lecktest bezeichnet, und in der Tat hat sie einiges gemeinsam z.B. mit der Überprüfung der Dichtheit eines Fahrradschlauches.

    Das folgende Bild zeigt ein ferromagnetisches Bauteil mit einem Riss – den wollen wir finden. Um ein Loch im Fahrradschlauch zu finden, pumpen wir den Schlauch mit Luft auf. Um den Riss im Bauteil zu finden, „pumpen“ wir das ferromagnetische Bauteil mit Feldlinien auf – wir magnetisieren es. Dabei erzeugen wir im Innern des Bauteils zahlreiche Feldlinien, die das Bauteil ausfüllen. Im Bereich des Risses gibt es aber ein Problem. Ein Riss ist nicht mit einem ferromagnetischen Material „gefüllt“, sondern z.B. mit Luft.

    Luft aber ist paramagnetisch, und die vielen Feldlinien dürfen nicht einfach den Riss passieren, denn Luft kann nur wenige Feldlinien aufnehmen. Einige Feldlinien können, wie im Bild skizziert, unter den Riss „ausweichen“. Die überwiegende Zahl der Feldlinien aber muss das Bauteil im Bereich des Risses verlassen und kann erst hinter dem Riss wieder ins Bauteil „eintauchen“. Die Feldlinien, die das Bauteil verlassen, nennen wir den magnetischen Streufluss. Der Streufluss befindet sich da, wo sich der Riss befindet, und er ist vergleichbar mit der Luft, die aus einem Loch im Fahrradschlauch entweicht.

    Wie wir den Streufluss S nachweisen, zeigt das nächste Bild. Wir können zum einen mit einer Sonde (im Bild links eine Spule) über die Bauteiloberfläche fahren. Bewegt sich die Spule durch das Feld des Streuflusses, dann wird in der Spule eine Spannung induziert, die mit einem geeigneten Messgerät nachgewiesen werden kann. Diese Prüftechnik nennt man Streuflusstechnik.

    Wir können aber auch die Magnetpulvertechnik anwenden. Dazu tragen wir sehr kleine, ferromagnetische Teilchen (Magnetpulver) auf die Bauteiloberfläche auf. Das geschieht üblicherweise mit einer Trägerflüssigkeit, um die Beweglichkeit des Magnetpulvers auf der Bauteilfläche zu erhöhen. Ist ein Riss vorhanden, so lagern sich die Magnetpulverteilchen längs des Risses an. Warum tun sie das?

    Dort, wo der magnetische Streufluss das Bauteil verlässt, bildet sich ein Magnetpol, und dort wo der Streufluss wieder ins Bauteil eintritt, bildet sich der magnetische Gegenpol. Die Magnetpulverteilchen werden also von den Magnetpolen im Bereich des Risses angezogen, eingefangen und festgehalten. Und sind sie einmal in Position, so wirken diese ferromagnetischen Teilchen für die Feldlinien des Streuflusses wie Brücken, über die die Feldlinien auf kürzestem Wege wieder ins Bauteil gelangen (Bild rechts).

    Jetzt müssen wir noch dafür sorgen, dass wir die winzigen Magnetpulverteilchen schnell und zuverlässig auf der Bauteiloberfläche entdecken. Dazu werden die Teilchen mit einer Hülle aus einem Farbstoff bzw. einem fluoreszierenden Stoff versehen. Insbesondere die Prüfung mit fluoreszierendem Pulver und einem Ultraviolett-Strahler sorgt für sehr hohe Prüfempfindlichkeit.

    Im Falle des beschädigten Fahrradschlauchs weisen wir die entweichende Luft mit einer Seifenlösung und die sich darin bildenden Blasen nach – wo die Blasen entstehen, da ist das Loch. Prüfen wir ferromagnetische Bauteile, dann finden wir die „magnetische Leckage“ mit Hilfe von Sonden oder Magnetpulver.

    Ganz wichtig bei der Magnetpulverprüfung ist die Magnetisierungsrichtung – also die Orientierung des inneren Magnetfeldes zum möglichen Riss. In den oben dargestellten Bildern ist das Magnetfeld senkrecht zum Riss orientiert. Im nächsten Bild betrachten wir ein Magnetfeld, das parallel zum Riss verläuft. Wir sehen, dass sich die Feldlinien in diesem Falle ganz einfach an die Geometrie anpassen und keinerlei Streufluss entsteht. Wenn aber kein Streufluss existiert, dann können wir den Riss auch nicht nachweisen.

    Wir erkennen, dass es Orientierungen des Magnetfeldes zum Riss gibt, für die der Riss nicht nachgewiesen werden kann. Für einen guten Nachweis müssen Riss und Magnetfeld nicht genau senkrecht zueinander orientiert sein – aber eine parallele Orientierung zueinander ist definitiv sehr schlecht für die Risserkennung. Üblicherweise wissen wir nicht, in welche Richtung die Risse orientiert sind – wir müssen bei der Magnetisierung von jeder beliebigen Rissorientierung ausgehen und entsprechend magnetisieren. Wie machen wir das? Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten:

    • Wir magnetisieren in zwei unterschiedliche Richtungen – z.B. zweimal 90° versetzt. So erfolgt üblicherweise die Magnetpulverprüfung von Schweißnähten mit einem Handjoch.
    • Wir erzeugen ein rotierendes Magnetfeld, das alle Richtungen überstreicht. Das geschieht auf elektronischem Wege und wird kombinierte Prüfung genannt.
    • Wir können das Bauteil (und damit die möglichen Risse) durch ein konstantes Magnetfeld rotieren lassen. So funktioniert die Mindener Spule für die Magnetpulverprüfung von Eisenbahnrädern.

    Magnetpulverprüfung bzw. Streuflussprüfung anzuwenden bedeutet also, Permeabilitätsunterschiede zu finden. Die Magnetpulvertechnik und die magnetische Streuflusstechnik „kennen“ keine Risse. Sie reagieren auf den Permeabilitätsunterschied, den ein Riss hervorruft, denn das Bauteil ist ferromagnetisch, die Luft im Riss aber paramagnetisch. Hätten wir eine „magnetische Flüssigkeit“ mit genau derselben Permeabilität wie das Bauteil, und würden wir mit dieser Flüssigkeit den Riss füllen, so würden Magnetpulvertechnik und Streuflusstechnik versagen.

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  • 31. Oktober 2011

    Wie funktioniert eigentlich … Spektrometrie?

    Die Spektrometrie wird in zahlreichen Gebieten der Physik, Chemie und Technik eingesetzt – von der Analyse der inneren Struktur von Atomkernen bis hin zum Studium der Abläufe chemischer Reaktionen. Gegenstand dieses Beitrages sind spektrometrische Verfahren für die Analyse der chemischen Zusammensetzung von Werkstoffen – speziell die optische Emissionsspektrometrie (OES) und die Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA).

    Um zu verstehen, wie Spektrometrie funktioniert, machen wir zunächst einen Abstecher in die Welt der Atome. Wir betrachten ein einfaches Modell, in dem die Elektronen den Atomkern umkreisen. Die Elektronen bewegen sich dabei nicht „irgendwo“, sondern auf ganz bestimmten Bahnen (Schalen). Im Bild ist ein Magnesiumatom dargestellt. Zwei seiner 12 Elektronen bewegen sich auf der innersten Schale. Die nächste Schale besteht aus 2 Unterschalen mit 2 bzw. 6 Elektronen. Die dritte Schale besteht aus 3 Unterschalen, die Platz für 2, 6 bzw. 10 Elektronen bieten – beim Magnesium ist nur die erste Unterschale mit 2 Elektronen besetzt.

    Die Anzahl der Elektronen pro Schale kann unterschritten werden (dazu kommen wir noch), darf aber niemals überschritten werden. Die skizzierte Abfolge der Elektronenschalen (2, 2+6, 2+6+10, …) ist für jedes chemische Element identisch. Auch die Elektronenhülle des Wasserstoffatoms verfügt über all die genannten Elektronenschalen, sein einziges Elektron hält sich aber „üblicherweise“ auf der innersten Schale auf.

    Die Elektronenschalen der verschiedenen chemischen Elemente unterscheiden sich nur hinsichtlich ihrer Besetzung (je nach Anzahl der Elektronen des Elementes) und hinsichtlich des Schalendurchmessers und damit hinsichtlich der Energie, die jedes Elektron auf seiner Schale hat. Elektronen haben auf ihren Schalen „unverwechselbare“ Energien, die charakteristisch für das konkrete chemische Element sind.

    Je weiter weg vom Kern die Bahn eines Elektrons verläuft, desto mehr Energie hat das Elektron. Elektronen würden sich aber am „liebsten“ auf den innersten Schalen aufhalten, denn sie streben einen Zustand minimaler Energie an. Die Plätze pro Schale sind aber streng limitiert, und wenn die inneren Plätze besetzt sind, dann müssen die Elektronen mit den äußeren Schalen „vorlieb nehmen“. Nun haben wir alle „atomphysikalischen Grundlagen“ für die Spektralanalyse zusammen, schreiten zur praktischen Umsetzung und betrachten dabei das nachfolgende Bild:

    Teilschritt 1 der Spektrometrie ist die Anregung. Wir führen der zu untersuchenden Probe Energie zu (Bild links) mit dem Ziel, Elektronen aus ihren Schalen herauszuschlagen und auf weiter außen gelegene Schalen zu befördern (Bild Mitte). Die Energiezufuhr erfolgt dabei ganz unterschiedlich – z.B:

    • bei der Anregung mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP) durch Magnetfelder,
    • bei der OES mit Funken oder Bogenanregung durch elektrischen Strom,
    • bei der RFA durch energiereiche Röntgenstrahlung,
    • bei der Flammenspektrometrie durch Feuer.

    Was ist das Ziel der Anregung? Wir erinnern uns, dass Elektronen sich am „liebsten“ auf den innersten Schalen aufhalten. Wird auf einer inneren Schale ein Platz frei, dann wird dieser umgehend durch ein Elektron besetzt, das sich weiter außen befindet. Auf der äußeren Schale hat das Elektron jedoch mehr Energie als auf der inneren Schale. Diese Energie muss das Elektron abgeben, wenn es nach Innen springen will. Das geschieht durch Emission von Strahlung – dies ist Teilschritt 2 der Spektrometrie (Bild rechts).

    Die abgegebene Strahlung entspricht der Energiedifferenz zwischen der Schale, von der das Elektron springt und der Schale, auf die das Elektron springt. Da aber die Energien der beiden Schalen charakteristisch für das jeweilige chemische Element sind, ist es auch deren Energiedifferenz. In anderen Worten: Die freigesetzte Strahlung kennzeichnet das jeweils angeregte chemische Element absolut eindeutig wie ein „elektromagnetischer Fingerabdruck“.

    Teilschritt 3 der Spektrometrie ist die Zerlegung der von den Elektronen ausgesandten Strahlung für die nachfolgende Spektralanalyse. Nach der Anregung trifft in der Messeinheit des Spektrometers eine große Menge Strahlung ein (von allen möglichen Elektronenübergängen aller möglichen chemischen Elemente der Probe) – die muss aber zerlegt werden, um sie anschließend nach Ihrer Energie (und damit nach dem jeweiligen chemischen Element) „sortieren“ zu können.

    Das folgende Bild zeigt die Strahlung, die bei der Anregung von Helium im sichtbaren Bereich entsteht. Das Licht des Heliums wurde durch Beugung an einem Gitter in seine einzelnen Spektrallinien zerlegt. Der obere Teil des Bildes stellt die Spektrallinien selbst dar, der untere Teil die Analyse dieser Spektrallinien nach ihrer Intensität und Wellenlänge (kennt man die Wellenlänge, dann kennt man automatisch auch die Energie).

    Wenn ein modernes Spektrometer z.B. eine Stahlprobe mit vielen chemischen Elementen analysiert, dann entstehen unzählige Spektrallinien (die des Eisens, des Kohlenstoffs, des Siliziums, …), und ein modernes Hochleistungsspektrometer „sieht“ nach der Zerlegung der Strahlung Tausende von Spektrallinien.

    Der Teilschritt 4 besteht aus der Analyse der Energie und der Intensität der Spektrallinien. Die Energien der Spektrallinien geben Auskunft über die chemischen Elemente, aus denen die Probe zusammengesetzt ist. Die Intensitäten der Spektrallinien geben Auskunft über die Konzentration der jeweiligen chemischen Elemente in der Probe: Viele gleichartige Atome (hohe Konzentration) führen zu vielen gleichartigen Sprüngen, diese produzieren viele identische Strahlungsteilchen, und Intensität ist nichts anderes als die Anzahl der Strahlungsteilchen.

    Nun folgt der Teilschritt 5. Und der hat damit zu tun, dass das, was das Spektrometer misst (nämlich Energien und Intensitäten) nicht das ist, was den Anwender interessiert (nämlich die Namen der chemischen Elemente und deren Konzentrationen in der Probe). Um den Zusammenhang zwischen Energie und chemischem Element einerseits und Intensität und Konzentration andererseits herzustellen, sind in der Datenbank des Spektrometers Kalibrierkurven (Programme) für die Zuordnung hinterlegt:

    • Energie -> chemisches Element (z.B. mit Hilfe der Ordnungszahl) und
    • Intensität -> Konzentration.

    Die Messeinheit des Spektrometers leitet also die gemessenen Energien und Intensitäten an den Computer des Spektrometers weiter, der „schaut“ in seiner Kalibrierkurven-Datenbank nach und kann so jeder Energie ein bestimmtes chemisches Element zuordnen und jeder Intensität eine Konzentration. Je präziser die Kalibrierkurven sind, desto präziser ist auch die auf dem Monitor des Spektrometers angezeigte chemische Analyse.

    Spektrometrie ist wie kollektives bungee jumping für Elektronen. Wir treiben unzählige Elektronen mittels Energie „nach oben“ und sehen ihnen dann dabei zu, wie sie wieder nach unten springen. Art und Anzahl der Sprünge verraten uns, welche chemischen Elemente in welcher Menge in der Probe enthalten sind.

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