7. März 2017

Materialprüfung – einfach tierisch!

sand scorpion - mit Quelle

Tiere interessieren sich gewöhnlich nicht für die Prüfung von Schmiedestücken, Gussteilen oder Schweißnähten. Aber Futter ist auch Material, und das muss gesucht, gefunden und bewertet werden. Materialprüfung eben!

Der Sandskorpion – unter Ultraschallprüfern bekannt als Smeringurus mesaensis – ist nicht nur ausgestattet mit wehrhaften Scheren und einem tödlichen Stachel, sondern auch mit acht Beinen, die als Schalldetektoren absolute Weltspitze sind. Und wie er die nutzt, um bei seiner „Materialprüfung“ ans Futter zu kommen, ist ganz große Kunst.

Bewegt sich in der Nähe des Skorpions ein Tier, so erzeugt es Schallwellen – und zwar zwei unterschiedliche Arten von Wellen. Sogenannte Kompressionswellen bewegen sich dabei im Sand parallel zur Oberfläche mit einer Geschwindigkeit von ca. 110 Meter pro Sekunde. Außerdem entstehen sogenannte Rayleigh-Wellen, die sich im lockeren Sand mit etwa 40 Meter pro Sekunde ähnlich wie Wasserwellen fortbewegen – dabei bilden sich im Sand wie im Wasser Wellenberge und Wellentäler.

Bei Futterbedarf stellt sich der ca. 8 Zentimeter große und blinde Skorpion in dem lockeren Wüstensand so auf, dass seine 8 Beine einen Kreis von etwa 5 Zentimetern Durchmesser bilden. Und in dieser Position erwartet er nun Schallwellen.

Die Schalldetektoren in seinen Beinen sind dabei so empfindlich, dass ein einziges Sandkorn (Gewicht etwa 0,2 Milligramm), das in einem Abstand von einem halben Meter zu Boden fällt, von ihm registriert werden kann – und zwar Richtung und Abstand des Korns zugleich!

Bewegt sich etwas in der Nähe des Skorpions – sagen wir in diesem halben Meter Abstand – so erreichen ihn zuerst die schnelleren Longitudinalwellen. Die langsameren Rayleigh-Wellen folgen etwas später. Der Skorpion unterscheidet die beiden Wellenarten sowohl an der Bewegungsrichtung der Sandkörner unter seinen Beinen (einmal parallel und einmal senkrecht zur Oberfläche) als auch an dem Zeitverzug von etwa 7 Millisekunden zwischen ihnen. Aus dem Zeitverzug „rechnet“ der Skorpion zurück auf seinen Abstand zur Schallquelle.

Die Richtung der Schallquelle ermittelt er mit Hilfe der kreisförmigen Anordnung seiner acht Beine, die wie ein Sensor-Array funktionieren. Das Bein, das am nächsten zur Schallquelle positioniert ist, empfängt die Schallwellen zuerst. Die anderen Beine empfangen je nach Winkelposition entsprechend später – dabei kann der Skorpion Bruchteile von Millisekunden unterscheiden.

Weil sich sein potentielles Opfer bewegt, und dadurch ständig Abstand und Richtung ändert, bewegt sich auch der Skorpion, hält dann kurz inne und startet die nächste „Messung“. So bekommt er einen Eindruck vom Laufweg seiner Beute.
Die Jagdstrategie des Skorpions basiert auf komplexen mathematisch-physikalischen Zusammenhängen. Über welche Qualifikationen verfügt der Skorpion, um das zu leisten? UT1? UT2? UT3?
Keine! Er hat es einfach drauf.

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