27. April 2012

8. Teil – Schadensanalyse und Konformitätsbewertung

Im Rahmen von Schadensanalysen werden Produkte, Einsatzbedingungen für Produkte aber auch Anforderungen an Produkte und Prozesse analysiert. Es ist daher eine naheliegende Frage, wie sich Schadensanalysen in die bisher beschriebenen Konformitätsbewertungen einordnen.

Hilfreich ist hierbei die Richtlinie VDI 3822 des Vereins Deutscher Ingenieure. Sie beschreibt Grundlagen, Begriffe und die Durchführung von Schadensanalysen. Die VDI-Richtlinie charakterisiert einen Schaden als „Veränderungen an einem Produkt, durch die eine oder mehrere seiner vorgesehenen Funktionen wesentlich beeinträchtigt oder unmöglich gemacht werden“ und empfiehlt im Rahmen der Schadensanalyse folgendes Vorgehen:

1. Schadensbeschreibung – u.a. Dokumentation des Schadensbildes, Dokumentation von Positionen und Maßen, Erfassung relevanter Betriebsdaten, ggf. Einordung des Schadteils in das gesamte Funktionssystem, innerhalb dessen es funktionieren soll

2. Bestandsaufnahme – u.a. Erfassung der Rahmenbedingungen, denen das schadhafte Produkt ausgesetzt war. Erfassung der Schadteilhistorie (Fertigung, Prüfung, Einsatz, …), Bewertung der Konstruktion und des Werkstoffes, Analyse der Fertigung und der betrieblichen Nutzung,

3. Formulierung von Schadenshypothesen als Arbeitsgrundlage für die nachfolgenden Untersuchungen und Bewertung ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und Nachweisbarkeit sowie ggf. Hinzuziehung von weiteren Sachverständigen für spezielle Fragestellungen,

4. Durchführungen von Prüfungen (unter Beachtung eines Untersuchungsplans, der Wahl geeigneter Prüfverfahren und sinnhafter Probenentnahmen) mit dem Ziel, z.B. Werkstoff- und Gebrauchseigenschaften, verarbeitungsbedingte Eigenschaften und Belastungen zu erfassen,

5. Auswertung der Prüfergebnisse und ihre Analyse hinsichtlich der Bestätigung oder Nichtbestätigung von Normen, Spezifikationen und der Schadenshypothesen sowie Entscheidung hinsichtlich Überprüfungen, Ergänzungen oder Änderungen der Punkte 2 bis 4,

6. Ermittlung und Priorisierung der Schadensursachen und der schadensbegünstigen Einflüsse,

7. Ableitung von Hinweisen zur Schadensabhilfe, welche sich beziehen können auf die eingesetzten Werkstoffe, die Konstruktion, die Fertigung, oder die Betriebsbedingungen,

8. Erstellung eines Berichtes, der u.a. enthalten sollte: die Problemstellung, die durchgeführten Untersuchungen und ihre Bewertung, die Schadensursachen und Hinweise zur Schadensverhütung.

Auch wenn die VDI-Richtlinie 3822 bezüglich der normativen Basis für die Schadensanalyse feststellt: „Als Grundlage werden die Normen DIN EN ISO 9001 und die DIN EN ISO/IEC 17025 angesehen“, so geht eine Schadensanalyse doch weit über eine Prüfung – also der Ermittlung von Merkmalen am Gegenstand einer Konformitätsbewertung nach einem Verfahren – hinaus. Die VDI-Richtlinie selbst ordnet die Schadensanalyse einer Sachverständigentätigkeit zu.

Gegenüberstellung von Inspektion und Schadensanalyse als „Rückwärts-Inspektion“

Betrachtet man die Schadensanalyse im Kontext der vorgestellten Konformitäts-bewertungen, so wird deutlich, dass sie eine Inspektionstätigkeit darstellt.
Diese unterscheidet sich von der Prüfung vor allem durch die Komplexität des Bewertungsprozesses und die Bewertung nach allgemeinen Anforderungen, welche eine sachverständige Beurteilung notwendig macht.

Eine typische Fragestellung im Rahmen der Schadensanalyse wäre „Warum versagte dieses Bauteils im Betriebseinsatz, und wie kann man das zukünftig verhindern?“ Diese Frage ist sehr artverwand mit der Fragestellung an eine akkreditierte Inspektionsstelle „Ist die Festigkeit dieses Bauteils ausreichend, um unter typischen Betriebsbedingungen zuverlässig zu funktionieren?

Die Schadensanalyse kann man im Kontext der verschiedenen Konformitätsbewertungen in gewisser Weise als „sachverständige Rückwärts-Inspektion“ interpretieren.

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